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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Geliebten betrachten. Schwarz geschwungene Erinnerung. Die Tenjac war die einzige Frau gewesen, der er in Liebe verfallen gewesen war. Eine einmalige Liebe. Ihr Vermächtnis bestand aus viel mehr als nur den unzähligen Seiten.
    Du fehlst mir unendlich …
    Harm gab sich einen Ruck und las, verglich die Zeichnungen des neuen Kompendiums, das ihm einer seiner Antiquariatshändler zugesandt hatte, mit den Beschreibungen. Dreiundfünfzigtausend Euro hatte es gekostet, und wie es aussah, konnte er den wahren Wert nicht hoch genug beziffern.
    In Anjankas Übersetzung war von einem Almanach die Rede gewesen, in dem verschollene Beschwörungsformeln verzeichnet wären. Genau
diesen
hatte er in die Finger bekommen!
    Darin entdeckte er auch die Zeichen der Dämonen, denen er ungewollt seine Seele verschrieben hatte. Nein, dem seine Mutter Harms Seele verschrieben hatte.
    Mit welchem beginne ich?
    Es stand für ihn außer Frage, dass es gelingen würde. Dazu musste er vorher die Texte, die angeblich auf Babylonisch verfasst waren, von einem Fachmann prüfen und übersetzen lassen.
    Sollte ich nicht zuerst Scylla und ihre Brut töten, bevor ich mich aus den Diensten der Dämonen befreie?
    Womöglich verlor er seine Kräfte, wenn er sich von ihnen gelöst hatte, doch gegen Scylla brauchte er sie. Ihr Kampf an der Ruine gegen die Übermacht hatte ihn beeindruckt.
    Ich lasse es checken und übersetzen. Bis dahin kann ich mir Emma zurechtlegen und Scylla vernichten. Danach breche ich den Zwangspakt. Vorher wäre es unklug.
    Er sah auf Anjankas Handschrift, fuhr die Buchstaben mit dem Finger nach und achtete darauf, sie nicht zu verwischen.
    Meine Seele wird frei sein, wie du es gewollt und es dir für mich gewünscht hast, Geliebte.
    Sein Computer piepste. Neue Mails. Harm schaltete den Monitor ein.
    Die erste Nachricht kam von Oyabun Yatamo, der sich mit den typisch japanischen Floskeln vor Verzeihungsbitten nur so überschlug. Das Gleiche, dafür knapper und markiger, las er von Schaparow. Beide schworen dem Lord Mayor unbedingten Gehorsam. Keinerlei Drohungen, keinerlei Vergeltungsankündigungen.
    Es geht doch.
    Dann hatte ihm Emma aus dem Hotel geschrieben, wie sehr sie ihn vermissen und dass sie seinen Kuss noch immer spüren würde. Harm wurde schlecht.
    Ich deinen auch, Schlampe. Und das bereitet mir keine Freude.
    Die vierte Mail war eine Überraschung und dazu keine schöne.
    Der Absender hieß
John Doe
, einen Betreff gab es nicht. Dafür aber eine sehr deutliche Botschaft, und sie lautete: »Lass Emma in Frieden.«
    Harm zweifelte nicht daran, dass sie von Scylla kam.
10. Juni 2008, Deutschland,
Sachsen, Leipzig
    Harm lief die Nikolaistraße entlang und genoss den wunderbaren lauen Frühsommerabend in der Stadt.
    Das tat er nicht alleine. Die Leipziger flanierten in der Fußgängerzone, schleckten ihr Eis oder genossen die angenehmen Temperaturen überall im Freien. Es roch nach Thüringer Bratwurst, die von einem fliegenden Händler verkauft wurde. Aus der Kirche tönten gedämpfte Orgelmusik und Chorgesang. Siemischten sich mit der Darbietung einer indianischen Straßenmusikgruppe und schufen etwas sehr Schräges.
    Harm betrachtete die Passanten aus dem Schutz seiner Sonnenbrille heraus und freute sich auf den Abend. Einen von ihnen würde er sich schnappen und austrinken.
    Das gönne ich mir. Mal zur Abwechslung deutsches Blut.
    Er hatte es als besser erachtet, den Kontakt mit Emma vorerst einzuschränken. In den letzten Monaten hatte er ihr drei Mails geschickt, in denen er kurz nach ihrem Befinden fragte und viel Stress im Beruf vorschob, der ihn an die verschiedensten Orte der Welt führte. Als Antwort bekam er seitenlange Mails, in denen sie von ihrem Leben berichtete und was Elena alles konnte oder angestellt hatte und wie sehr sie ihn vermisste.
    Das war gut. Er hatte ihr Feuer für ihn entfacht, und durch die wenigen Mails brannte das Feuer noch höher und heißer.
    Das Schlechte daran: Er hatte irgendwie Scyllas Aufmerksamkeit geweckt. Aus einem bestimmten Grund mochte sie ihn nicht. Nun wollte er abwarten, was geschah. Emma würde sich wieder melden müssen. Und wenn das geschah, wusste er, wie er vorgehen wollte.
    Ich werde Scylla den Schwarzen Peter zuschieben und die beiden entzweien.
    Er besuchte die Universitätsbaustelle in der Grimmaischen Straße, wo die Umbauarbeiten in vollem Gang waren. Hier würde er ein neues Café errichten, eine Mischung aus Wiener Kaffee-und britischem Teehaus. Damit lockte er

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