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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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die Liebhaber beider Spezialitäten an. Zu Tee und Kaffee würde es Sachertorte, Scones, Teacake und Gebäck geben plus den Verkauf von losem Tee und Kaffeebesonderheiten. Emma konnte gar nicht absagen.
    Ich werde behaupten, dass Scylla mir eine Mail geschickt hat, in der sie mir rät, mich fernzuhalten.
    Harm nahm den Schlüssel heraus und ging auf das Ladenlokal zu, das er angemietet hatte.
    Die Fensterfronten waren mit Papierbahnen abgeklebt worden, damit er die Kundschaft zur Fertigstellung überraschen konnte. Es hing nur ein Banner davor, das ankündigte, royalen Tee- und Kaffeegenuss bieten zu wollen. Einen Namen hatte er auch schon, der nahelag:
Emma’s
. In diesem Fall war der Apostroph nach dem »a« sogar erlaubt, da es sich um einen englischen Genitiv handelte. Bei deutschen Geschäften bedeutete der Apostroph, dass der Inhaber keine Ahnung von seiner Muttersprachengrammatik hatte.
    Harm sperrte auf und betrat die Baustelle, in der es nach frischer Farbe und Kleister roch. Mit dem Druck auf den Lichtschalter vertrieb er die Dunkelheit aus den achtzig Quadratmetern, in denen der royale Stil vorherrschte: edle Stofftapeten in Dunkelblau, eine weiße Wand, dunkle Möbel, ein Bild von der Queen, ein langer Tresen, der sowohl als Verkaufs- wie auch als Bedienungstheke diente. Dahinter erhoben sich vier Meter hohe Regale, in die bald Tee und Kaffee eingeräumt werden würden.
    Es wird doch.
    Harm freute sich. Ein Stück Empire und ein Stückchen seines Imperiums, das er auf den Kontinent brachte, einschließlich der Drogen. Wenn er schon so viel Zeit in Emma und
Emma’s
investierte, konnte er einen Verkaufsring gleich mit hochziehen. Wie gesagt: Ein guter Standort diente vielerlei Zwecken. Zwei Vertraute hatte er in Leipzig auf die Suche nach vorhandenen Strukturen geschickt, um vorzufühlen und sich mit den ansässigen Bossen zu besprechen.
    Er strich mit den Fingern über den Tresen, auf dessen einem Ende schon ein kleiner Stapel Briefe von den Handwerkern aufgetürmt worden war.
    Die Grenze nach Polen ist nicht so weit weg. Die Russen werden stark in der Stadt engagiert sein. Russen oder andere Ostblocker. Ich werde mit ihnen einig werden.
    Harm sichtete die Umschläge: Stadtverwaltung, Stadtwerke,Vermieter, ein Brief von Emma und ein Brief ohne Absender, auf dem
EILIG! IHR VERSICHERUNGSSCHUTZ LÄUFT AB!
geschrieben stand.
    Harm öffnete ihn zuerst, weil er ihm am merkwürdigsten erschien. Ein Werbebrief, auf dem keine Logos oder keine Firmen genannt wurden, das passte nicht.
    Ich wette …
    Und er hatte recht. Es war ein Standardschreiben, das mit
Lieber Ladenlokalbesitzer
begann und in eine offene Schutzgeldforderung mündete. Einschließlich der Warnung, sich nicht an die Polizei zu wenden, weil dann die Bude gleich in Flammen stünde.
    Banausen, echt. Das ist keine »Bude«.
    Die Tür wurde geöffnet.
    Harm sah auf die Spiegelfront im Regal. Drei Männer waren hereingekommen, alle recht jung, modern und unauffällig gekleidet. Doch die feinen Symbole machten den Unterschied. Einer trug ein Poloshirt einer bestimmten Marke, der andere hatte die Zahl
88
als kleines Logo auf der Brusttasche. Ein knallroter Aufnäher mit der Zahl 18 zierte die karierten Hosen des letzten Besuchers.
    Nazis gab es auch in England, und sie nutzten die gleichen Tricks und Abkürzungen oder Identifizierungsmerkmale. Das Internet hatte diese Symbole und Bedeutungen für jeden sichtbar gemacht.
    Für einen Tee werden sie nicht gekommen sein.
    Sie sahen sich um. Die 88 pochte gegen eine Glasscheibe und nickte grinsend, die zwei anderen spazierten auf Harm zu, ohne etwas zu sagen.
    »Lasst mich raten: Ihr würdet weißen Tee anstatt schwarzen trinken.« Er hob den Brief, ohne sich umzudrehen. »Von euch, Boys?«
    »Endlich lässt sich mal jemand blicken, der nicht aussieht wieein Handwerker. Wer sind Sie? Der Besitzer?«, fragte die 18 ihn. »Oder der Pächter?«
    Harm drehte sich langsam um, lehnte sich mit einem Arm gegen den Tresen. Er blieb locker und entspannt, damit sie sich in Sicherheit wähnten. »Wie viel?«
    Die Männer grinsten sich an; alle hatten kräftig ausgebildete Eckzähne.
    Oh, Menschenfresser?
    »Wir sind harmlos. Ehrlich, wir tun nur dann etwas«, 18 breitete die Arme aus, »wenn wir uns nichts zu essen kaufen können. Und dazu braucht man Geld.« Er zeigte mit dem Finger auf seine Kumpel. »Also, normalerweise nehmen wir zweihundert pro Person. Das macht dann sechshundert. Euro.«
    »Im Monat.« Harm schob

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