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Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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großer schwarzer und weißer Wolf an den Überresten des Henkers. Blutige Knochen ragten aus der Leiche, die Sandrine als Rippen identifizierte. Sie hatten sich mit Hass an Penchenat ausgetobt, wie sie an der Vielzahl der grässlichen Wunden erkannte, und ihn schon so gut wie verschlungen.
    Als hätten sie es nicht erwarten können.
    Sandrine schluckte und sah an sich herab. Sie kauerte in ihrer menschlichen Gestalt am Boden, und ihre Kleidung lag um sie herum. Sie bewegte ihren Arm, um sich behutsam aufzustützen – und die Wölfe wandten ihr die Köpfe zu. Die Augen flammten tiefrot auf, gleichzeitig entsprang ihren Kehlen ein angriffslustiges Grollen.
    Loup-Garous!
    Die Bestien hatten noch immer Hunger. Sie war in ihrem geschwächten Zustand eine leichte Beute. Gierig schaute Sandrine auf den zwischen den Felsen versickernden Lebenssaft des Henkers, um den sich die Werwölfe nicht kümmerten. Verloren für sie.
    Dabei hätte ich ihn dringend benötigt.
    Die Bestien rückten vor.
    »Ich gehöre nicht zu ihm«, sagte sie leise und beschwichtigend. Sandrine stand auf und schob sich am Granitblock herum. Rennen wie der Wind. Es war ihre einzige Chance, den Loup-Garous zu entkommen. Die Pistole mit den besonderen Kugeln konnte sie vergessen. Sie lag leergeschossen im Gras, Penchenats abgebissene Hand hielt die Finger um Griff und Abzug geschlossen. »Lasst mich, bitte!«
    Die Werwölfe teilten sich auf, pirschten um den Felsen herum.
    Jetzt!
    Sandrine warf sich herum und hetzte mit schwachen Beinen den Hang hinab. Hinter sich hörte sie das Knurren der Bestien. Die Jagd hatte begonnen.
    Nach ein paar Schritten geriet sie ins Stolpern, ihr Fuß blieb an einem Stein hängen, und sie stürzte aus vollem Lauf den Hügel hinab.
    Ihre Haut schrammte über die Granitflächen und riss auf, sie schlug sich mehrmals den Kopf an. Sie versuchte, sich auf die Füße zu stellen, doch ihr Schwung war zu groß. Eine Bienenwabe in einer Schleuder musste sich so fühlen, nur dass es darin keine scharfkantigen Felsen gab. Benommenheit und Schwindel breiteten sich in ihrem Verstand aus.
    Das darf nicht wahr sein. Anjanka muss mir aus Versehen einen Alptraum beschert haben!
    Immer wieder sah sie die Umrisse der Loup-Garous, die dichter zu ihr aufschlossen und bereits nach ihr schnappten. Laut klackend trafen die Zähne aufeinander, und die dämonisch roten Augen leuchteten in Vorfreude.
    Endlich rollte sie aus und blieb in einer weichen Kuhle liegen. Schwindlig stemmte sie die Arme gegen den Dreck und den Oberkörper in die Höhe.
    Das Hecheln und Grollen rauschte heran, Gras raschelte.
    Sie werden gleich über mich …
    Ein Schuss krachte, und ein Loup-Garou bellte dunkel auf. Der Knall breitete sich wie dünner Donner über das Gévaudan aus und verlief sich in der Weite.
    Die Jäger!
    Sandrine sah zwei Männer etwa dreißig Schritte von ihr entfernt stehen; einer hatte die Muskete angelegt, der zweite lud sehr rasch nach.
    Sie haben Penchenats Schüsse gehört und sind nachschauen gekommen.
    Die schwarze Bestie jagte rechts, die weiße links an ihr vorüber; aus der Flanke des weißen Loup-Garou rann Blut. Sie hatten die Männer als die gefährlicheren Feinde ausgemacht und gingen zum Angriff über. Die zahnbewehrten Schnauzen waren weit und bissbereit geöffnet.
    Sandrine beging nicht den Fehler und verharrte, um den Ausgang des Kampfes zu verfolgen. Sie glaubte nicht, dass die Jäger überleben würden. Aber sie bekam dafür einen Vorsprung eingeräumt, den sie nutzen musste.
    Nur fort von hier!
    Sie lief geduckt in der Mulde entlang, bis sie an einen weiteren Hang kam, den sie hinunterrutschte und -sprang. Dieser Abend war für ihre Haut nicht eben schonend, auf Kratzer und Schürfwunden nahm sie keine Rücksicht. Überleben. Nicht mehr, nicht weniger.
    Wieder hallten Schüsse durch die Nacht, die nicht ihr galten. Gleich darauf ertönten Schreie, gefolgt von einem Triumphgeheul, das Sandrine die feinen Härchen auf den Armen und im Nacken aufstellte. Die Stimmen der Loup-Garous brachten Furcht.
    Sandrine rannte und rannte.
    Jedes noch so leise Astknacken oder Rascheln brachte sie dazu, mit noch höherer Geschwindigkeit weiterzueilen. Ihre Beine schmerzten, in ihrer Seite stach es, doch sie blieb nicht mehr stehen. Sie wollte den glutroten Augen der Bestien entkommen.
    Endlich hatte sie ihr kleines Häuschen erreicht und stürmte hinein.
    Habe ich sie abgeschüttelt?
    Sie wagte es nicht, aus dem Fenster zu schauen, lehnte sich

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