Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Judassohn

Titel: Judassohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
Wirt als Zimmer angepriesen hatte. Doch weil es im Osten der Stadt nahe dem Tor und damit sehr günstig für ihre Unternehmungen lag, hatten sie sich dort einquartiert. Sie waren Späher.
    »Diese Idioten! Machen uns die Arbeit schwerer.« Sein Freund Frèderic stand mit freiem Oberkörper vor dem Fenster und öffnete es weit. Warme und zugleich übelriechende Sommerluft strömte herein; die Gosse stank. Sie hörten die Unterhaltungen der Menschen auf der Straße, Worte und Satzfetzen drangen zu ihnen.
    Frèderic lachte leise. »Der Duft von Geld hängt wieder in der Luft.«
    »Für mich stinkt es nach alter Pisse.«
    Er wandte sich um. »Was denkst du, Dominic? Meinst du, wir sollten heute Abend losschlagen?«
    »Die Brotpreise sind erneut gestiegen«, gab er zurück, als habe er die Frage gar nicht vernommen. »Ich sagte doch, dass es Schwachsinn ist, die Zollhäuser anzustecken. Wer gehofft hat, die Abgaben auf die Waren damit abzuschaffen, die in die Stadt gebracht werden, hat sich getäuscht.« Er knüllte die Flugschrift zusammen. »Es gibt zu wenig Getreide.
Das
ist das Problem.«
    »Zu wenig für das
Volk
. Aber dort, wo wir hingehen, leben sie in Saus und Braus.« Frèderic rieb sich die Hände. »Oh, was war das letzte Woche für ein herrliches Mahl, im Landsitz vom Herrn Marquis! Kuchen und Pasteten, Geräuchertes und Brot! Wir haben gesoffen, bis wir gekotzt haben, und wieder von vorne angefangen!« Er lachte laut. »Ich liebe Paris und sein Umland! Es leben die Unruhen!«
    Dominic betrachtete seinen Kumpan, der mit seiner bulligen Statur und den kurzen hellen Haaren das genaue äußere Gegenteil zu ihm war. »Ich weiß nicht. Wir sollten die Männer in die Stadt rufen.«
    Frèderic setzte sich ans Fenster. »Bist du verrückt? Sieh dir an, was da draußen los ist! Die Menschen ziehen durch die Gegend wie aufgescheuchte Ratten, und ich würde sagen, dass sie auf Händel aus sind. Vorhin haben sie die Sturmglocken geläutet, weiß der Teufel, wozu! Jeder Einfaltspinsel hat sich eine Waffe besorgt. Und gestern haben sie sich mit Soldaten vom Regiment Royal Allemande angelegt und sich blutige Nasen geholt. Dem Pöbel kämen wir gerade recht, an dem sie sich die roten Rotznasen abwischen könnten.« Wie zum Beweis seiner Worte krachten in einiger Entfernung Schüsse. Frèderic grinste und zeigte mit einer Hand hinaus. »Et voilà!«
    »Das Land ist dennoch zu gefährlich geworden. Wir sind nicht die Einzigen, die es auf die Herrengüter abgesehen haben.« Dominic erinnerte sich, wie sie vor einem Hof an eine Bande organisierterBettler geraten waren. Sie hatten sich erst durch Pistolen und Musketen vertreiben lassen; danach hatten sie das Anwesen in Ruhe plündern können.
    »Verstehe.« Frèderic grüßte jemanden, den er auf der Straße entdeckt hatte. »Die Reichen rüsten auf. Die Gefahr, dass einer von uns draufgeht, steigt.«
    Er nickte. »Das vermute ich auch.«
    Frèderic dachte nach. »Und wenn wir uns die Klöster und Abteien vornehmen? Die feisten Mönche wehren sich bestimmt nicht mit Musketen. Mit vollen Weinfässern nach mir werfen, das dürfen sie!« Er griente und erwartete offenkundig Zustimmung.
    »Wir rühren sie nicht an. Sie haben sich auf die Seite des Dritten Standes geschlagen und sind damit Verbündete.« Dominic nahm eine weitere Flugschrift aus seiner Jackentasche. »Sie gehören der Nationalversammlung an. Vergiss das nicht.«
    »Dann wirf doch mal einen Blick auf Paris, anstatt in deinen Flugblättern zu lesen! Nicht nur, dass die königlichen Truppen zu finden sind und jede Menge von ihnen in Versailles stehen. Nein, sie haben in Paris noch eine Miliz ausgehoben, um in der Stadt für Ruhe sorgen.« Wieder krachte Gewehrfeuer. »Klappt ja ausgezeichnet. Und
da
willst du mit den Männern rein und Adelshäuser ausräumen?«
    Dominic atmete tief ein. »Lass mich noch ein wenig sinnieren. Ich bin eben erst aufgewacht.«
    »Dann sauf nur so viel, wie du verträgst«, spottete sein Freund. »Immer das Gleiche mit dir. Morgens ins Bett und erst abends wieder aus der Kiste. Oder du bist für Tage verschwunden.«
    »Ich sagte dir doch, dass ich Sonnenlicht schwer ertrage. Es ist mir zu hell. Ich kann nur in der Finsternis denken.«
    Frèderic rieb sich über die stoppeligen blonden Haare. »Was auch immer, mein Freund«, er sah wieder hinunter auf die Straßen, »was auch immer. Hauptsache, wir machen fette Beute.«
    Dominic strich das Papier glatt und las, wie sehr die Absetzung des

Weitere Kostenlose Bücher