Judastöchter
»perdu!« Ihre Stimme schwankte und machte deutlich, dass sie die inneren Bilder mitnahmen. »Ich bin in dem stinkenden Schutt herumgekrochen und habe gesucht, unter Tränen habe ich gesucht, aber es war nichts zu machen.« Sie trank von ihrem Tee. »Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Als ich abends in mein Hotel zurückkam, wartete eine Nachricht auf mich: Man hat mich in den Vatikan bestellt.«
Ich weiß noch genau, wie es da aussieht.
Eric musste auflachen. »Eine Werwölfin, die der Hölle entronnen ist, im Allerheiligsten?«
Justine lächelte bemüht. »Da kann man sehen, wie verzweifelt sie waren.« Sie lehnte sich gegen das Polster. »Ich hatte eine Unterredung mit einem Kuttenträger, eine lange Unterredung, und danach wurden mir zehn Novizinnen präsentiert, die sich am Tag des Anschlags außerhalb des Hauptquartiers aufgehalten hatten. Kaum Ausbildung, verschüchtert und traurig wegen des Verlusts so vieler Freunde.«
Eric hob die Augenbrauen. »Man hat
dir
die Aufgabe anvertraut, sich um sie zu kümmern?«
»Non. So wahnsinnig ist selbst der Vatikan nicht. Die Schwesternschaft hatte immer auf ihre Eigenständigkeit von Rom gepocht. Das war Faustitia sehr wichtig. Niemand kannte sie besser als ich.« Justine hatte den Zigarillo in der Zwischenzeit fast aufgeraucht. »Man fragte mich, ob ich eine … wie sagt man … Patenschaft für die jungen Frauen übernehmen wollte. Ich habe viel neues Wissen hinzugewonnen. Gerade, was die Hölle angeht.« Sie lachte bitter. »Das war vor einem Jahr, und seitdem gibt es den Orden wieder. Sie sind auf einem guten Weg, die Kleinen.«
Ich hätte mir denken können, dass die Schwesternschaft nicht einfach endet. Nach Jahrhunderten der Existenz.
Eric sah zu Sia, dann wieder zu Justine. »Das hast du mir nicht erzählt.«
»Das wollte ich, als es so weit war, aber du arrogantes Arschloch hast immer aufgelegt, wenn ich dich angerufen habe.« Sie blies eine letzte blaugraue Wolke zu ihm. »Dein Pech. Ich hätte es dir gar nicht gesagt, wenn du nicht so lieb um Hilfe gebettelt hättest.« Sie grinste gemein. »Das war schön.« Sie pochte auf die Tasche, wo sie ihr Handy aufbewahrte. Sein Betteln für die Ewigkeit gebannt.
»Wir können diese Nonnen einsetzen?«, erkundigte sich Sia.
»Non. Sie sind noch nicht so weit. Es erfordert noch Training, um sie zu mehr als guten Kriegerinnen werden zu lassen«, sagte Justine. »Aber ihr Wissen und ihre Recherchefähigkeiten können wir benutzen.« Sie steckte den Rest des Rillos in den Blumentopf neben dem Fenster. »Nachdem wir den Stress mit Levantin hatten, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf Dämonen und Dämonenpakte. Es gibt ein kleines Büchlein, das angeblich auf König Salomon zurückgeht. Davon wiederum gibt es eine alte Version, die sich wesentlich von dem unterscheidet, was heute als
Goetia
verkauft wird. Darin findet man sehr viel über die unterschiedlichsten Höllenfürsten.« Justine zeigte auf Erics Unterarm, dann auf seinen Kopf. »Voilà, deine Seele gehört Avnas. Und Vampirella wird nach ihrem Tod ihre Seele an Botis reichen. Viel Spaß. Ich weiß, was euch erwartet«, setzte sie murmelnd hinzu. »Malsínamsòs, il est un con très grand, und ich glaube nicht, dass die anderen Fürsten netter sind.«
»Aber … ich habe von euch das Sanctum bekommen!«, rief Eric und zeigte anklagend das Mal.
Ich will eine Erklärung für den Scheiß, den ich durchmache.
»Wieso ist es immer noch da?«
Justine beherrschte dieses nonchalante Schulterzucken, gepaart mit einem Gesichtsausdruck, der nur Menschen aus Frankreich angeboren war. Es sagte so viel, ohne dass ein Ton gesprochen wurde. Und als sie dann ein »Pech, mon frère« hinzusetzte, wusste er, dass auch sie keine Erklärung hatte.
»Pech«, wiederholte Eric zäh.
Vom Schicksal einmal mehr eine in die Fresse bekommen.
»Oui. Ich denke, dass deine Dosis damals von einer alten Charge herrührte. Wir haben festgestellt, dass es immer wieder Fälschungen gegeben hat, Artefakte, an denen das Blut Christi haftete, die sich aber als historischer Betrug erwiesen. Es kann sein«, sagte Justine, »dass sich falsches mit echtem Sanctum vermischt hat und du in den Genuss des Mix gekommen bist. Es hat gereicht, um dir die
Bestie
auszutreiben. Aber nicht das
Böse.
«
Wie ich es mir dachte.
Eric sah, schwer ausatmend, auf seine Tasse. »Kann ich es noch einmal versuchen?«, flüsterte er fast.
Justine gab ihm keine Antwort und sah zu Sia. »Was ist mit Ihnen,
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