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Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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sein.
»Sia, zeig ihr dein Mal!«
    Sia zögerte.
    Justine grinste spöttisch. »Sie müssen es mir nicht zeigen. Ich weiß es. Sie sind eine Judastochter, und die Judaskinder haben ihre Seele an Botis verschrieben. Botis ist zumindest
ein
Name von vielen. Das ist die Schwierigkeit. Dämonen lieben es, gelegentlich inkognito Tod, Verderben und Vernichtung zu bringen. Sie geben sich auch mal ganz gerne für jemand anderen aus, um die Schuld auf ihn zu schieben.«
    Eric hatte den Wagen vor die Pension gesteuert und schaltete den Motor aus. »Und wie stehen Avnas und Botis zueinander? Hassen sie sich?« Sein Mund war trocken. Die Erklärung für seine tödlich-liebevoll-verzehrenden Gefühle für Sia war unter Umständen nur einen Satz entfernt.
    Justine betrachtete sein Gesicht. »Was ist mit dir, mon frère?« Sie zeigte mit dem Finger auf die Vampirin. »Läuft da was zwischen euch? Droht es etwa tragisch zu werden?« Sie seufzte gespielt. »Quel dommage!«
    »Weißt du es jetzt oder nicht?«, schrie er los.
    »Oh, calme-toi! Nein, ich weiß es nicht«, gab sie zur Antwort und stieg aus. »Schaut euch das nette Häuschen an. Das ist sehr … wie sagt man? C’est pittoresque! Sehr irisch.«
    Wie kommt es, dass ich sie noch nicht umgebracht habe?
Eric stieß einen Fluch aus, in den Sia einstimmte. Sie verließen den Touareg.
    Justine wandte sich ihm zu, legte die Unterarme aufs Autodach und sah Eric und Sia über das Blech hinweg an. »Ich weiß, dass es dich quält, mon frère. Und ich werde dir auch
dabei
helfen. Ich kenne jemanden, der es dir sagen kann.« Sie lächelte unvermittelt ehrlich, wie er an dem Ausdruck in ihren braunen Augen erkannte, die denen ihres Vaters unglaublich ähnelten. »Erinnerst du dich an die Schwesternschaft vom Blute Christi?«
    »Natürlich. Wie könnte ich sie vergessen?«
Sie haben mich von der Bestie geheilt. Ohne sie würde ich mich bei jedem Vollmond verwandeln, ohne dass ich mich dagegen wehren könnte.
Gleichzeitig trugen sie die Schuld, dass er das Böse nicht vollständig verloren hatte und zum Feuerteufel wurde. »Sind sie nicht bei einer Explosion ausgelöscht worden?«
    »Es gibt sie wieder. Wir haben von vorn angefangen.« Justine klopfte aufs Wagendach. »Habt ihr auch so Hunger? Ich könnte eine Vampirin fressen.« Sie lachte auf. »Gehen wir rein, trinken Tee und essen Scones mit clotted cream!« Sprach’s und drehte sich auf den Absätzen herum. »Haben die hier einen Gepäckträger?«
    Sie haben … der Orden … das Sanctum!
Eric stand wie erstarrt vor Überraschung. Sia sah ihn ratlos an.
    * * *

9. Februar, Irland,
Shannon, 10.01 Uhr
    I m Salon des
Poor Duck
, dem Bed&Breakfast-Haus, roch es förmlich nach dem British Empire, was für ein Haus in der Republik Irland ungewöhnlich war. Die nette alte Dame, die auf den schönen Namen Elizabeth Anne Sophie Montesque hörte, hatte sogar ein Bild von Queen Victoria aufgehängt und mit schwarzen Stoffbahnen umgeben; irgendwo im Haus erklangen stets alte Märsche,
The British Grenadiers
wiederholte sich ständig. Es war klar, welcher Zeit sie nachtrauerte.
    »Mon Dieu. Alles in diesem Zimmer ist mindestens hundert Jahre alt«, sagte Justine und nahm einen Schluck Tee aus der Chinaporzellantasse, die garantiert in der Zeit der Ära des Boxeraufstands entstanden war. »Gut, anwesende Vampire ausgenommen.« Sie grinste und nahm ihren angebissenen Scone. »Das ist sehr«, sie blickte auf die Häkeldeckchen auf dem Tisch, »sehr …« Ihr fehlte das Wort; stattdessen biss sie ins mit
clotted cream
bestrichene Gebäckstückchen.
    Wieso tut sie so, als wäre nichts von dem, was wir unternehmen müssten, dringend?
Es kostete Eric maßlose Beherrschung, seinen Tee zu trinken und seine Halbschwester nicht mit Fragen zu bestürmen. Sia blieb ebenso stumm, so dass das dunkle Ticken der Standuhr extrem laut zu hören war.
    Mit am Tisch saß außerdem Miss Montesque, die glücklich in die Runde blickte. Sie hatte den Vampir-Kommentar überhört. »Ach ja. Deutsche«, sagte sie dann. »Man hört ja so viel über sie, aber ich kann nichts Schlechtes sagen.«
    »Was haben wir für ein Glück«, meinte Justine erheitert. »Aber ich bin Französin, und ich weiß, dass ich bei Ihnen damit noch unter den Deutschen stehe.« Sie lachte.
    Miss Montesque stimmte in die Heiterkeit ein. »Aber nein, aber nein! Franzosen sind nicht weniger bemerkenswert. Aber gegen Hitler hatten sie damals keine Chance.«
    Jetzt musste Eric grinsen, Sia

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