Judastöchter
verschluckte sich an ihrem Tee.
»Oh, lá, lá, die Briten bekamen den Arsch von den Amis gerettet, das wollen wir mal nicht vergessen«, flötete Justine. »Sich auf eine Insel zu verpissen, dicke Zigarren zu qualmen und alles auszusitzen,
das
ist keine Heldentat. Wir hatten die Resistance!«
»Churchill war ein Weichei, ein fetter aufgeblasener Wichtigtuer«, schnarrte Miss Montesque und sah zum Bild von Queen Victoria. »Unter ihr wäre das alles nicht passiert. Sie ruhe in Frieden!« Sie rührte in ihrer Tasse und in ihren Vorurteilen. »Ich mag die Deutschen. Mein Mann hätte damals mit mir von London nach Berlin ziehen sollen und nicht hierher. Meine Zugehfrau meinte, dass die Betten nach dem Auszug der Gäste besser gemacht wären als vorher. Deutsche Gründlichkeit. Ich hatte mal Gäste aus Schwaben, die haben sogar noch gestaubsaugt, bevor sie abgereist sind. So liebe Menschen, und man möchte gar nicht glauben, dass es früher mal alles Nazis waren.« Sie schüttelte das graue Haupt.
Demenz wäre mir gerade lieber als senile Geschwätzigkeit.
»Kann ich noch Tee haben?«, fragte Eric und hoffte, dass Miss Montesque den Raum verließ, um neuen zu kochen, bevor noch mehr unverlangte nationale Einteilungen zu hören waren.
»Aber sicher.« Sie stand auf und watschelte hinaus, nahm die Kanne im Vorbeigehen. »Langen Sie tüchtig zu. Es ist genug da. Wir haben ja keinen Krieg.« Die Hausdame verschwand und schloss die Schiebetür.
»Meine Güte«, stöhnte Sia. »Manchmal könnte man meinen, der Welt fehlte was ohne Hitler, wenn man die anderen so hört.«
»Non. Pas encore!«, rief Justine. »Dieses Mal sind die Amis an der Reihe. Ich meine, sie führen doch ständig diese kleinen Übungskriege auf der ganzen Welt. Ich bin überzeugt, dass sie sich vorbereiten für die große Sache. Einen Österreicher als Gouverneur hatten sie schon. Das ist ein guter Anfang für eine neue Katastrophe.«
Es reicht. Montesque ist ansteckend mit ihren Theorien.
»Zurück zum Thema«, warf Eric ein. »Was ist mit dem Orden? Ich dachte, er ist vernichtet worden?«
Justine legte kauend den Scone zurück auf den Teller. »Levantin, dieses Arschloch, hat das Hauptquartier in Genzano ausgelöscht, und damit alle wichtigen Archive, Quellen und sonstigen Daten. Und natürlich … auch die Nonnen.« Sie schluckte geräuschvoll, und es erinnerte an ein Würgen. »Ich bin nach Italien gereist, und da …«
»Verzeihung, aber ich komme gedanklich gerade nicht mit«, warf Sia ein. »Von welchem Orden reden wir? Eric hatte etwas angedeutet, aber ich würde gerne mehr wissen.«
Das habe ich vergessen. Sie weiß so gut wie nichts.
Eric sah seine Halbschwester an. »Das ist deine Aufgabe. Du kennst dich besser aus. Erkläre es ihr, bitte.«
»Bon. Ich mache es kurz. Es gab seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts einen Orden, die Schwesternschaft vom Blute Christi. Sie hat sich zur Aufgabe gemacht, mit dem Blut von Christus das Böse aus denjenigen zu treiben, die einen Pakt mit der Hölle eingegangen sind. Eine Art Zwangschristianisierung.« Sie grinste. »Non. Es war so, dass wir die Dämonen mit dem Sanctum aus den Menschen getrieben haben …«
»Ich weiß, wie das mit dem Sanctum läuft«, bremste Sia die Ausführungen. »Mich interessiert mehr der Orden. Ich möchte wissen, mit wem ich es zu tun habe.«
»Oh, là, là. Das war unhöflich. Zuerst heißt es, ich soll erzählen, und dann nicht.« Justine nahm die Zigarillos zur Hand und steckte sich einen an. »Bon. Wir haben nichts zu verbergen, ich erzähle es Ihnen.
Ihnen,
verstanden?! Nicht der ganzen Welt.«
»Ich verrate nichts«, beteuerte Sia, und Eric machte eine unterstützende Geste.
»Es gab ein Ordensnetzwerk an Informanten, gespannt über die gesamte Erde. Es ging darum, Wandler zu finden und sie zu heilen, was uns in vielen Fällen gelungen ist. Ich gehörte lose zur Schwesternschaft. Die Nonnen hatten seit den Anfängen mit Anschlägen auf ihre Einrichtungen gerechnet, aber gegen einen vernichtenden Angriff wie den von Levantin gab es keine Gegenwehr.« Sie nahm einen langen Zug, die Erinnerung brachte sie für einen Moment zum Schweigen. »Ich bin nach Genzano gefahren, Eric. Und glaub mir, er muss einen Sprengkopf dort gezündet haben. Es stand nichts mehr! Rien! Die unterirdischen Gänge, die Tunnel im Berg, alles eingestürzt und unzugänglich. Die Arbeit und das Wissen von Jahrhunderten, puff«, sie warf die Hände in die Luft, Asche regnete nieder,
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