Judastöchter
raunte sie. »Ich töte jeden Einzelnen der Sídhe!« Sie nahm Emma und legte sie sich über die Schulter, dann ging sie los.
Sie traten den Rückweg an, bei dem sie auf keinerlei Widerstand stießen. Die Feinde waren ausgeschaltet. Justine hatte die Gänge verlassen, sie sahen ihre Blutspur auf dem Boden, die sie nach draußen führte.
Gesprochen wurde nicht. Jedes Wort wäre unpassend, unerträglich und hohl gewesen. Nach einer ganzen Weile verließen sie den Gang, durchquerten den Keller und gingen aus dem Gebäude.
Sie fanden die Werwölfin vor dem Haus, schwer atmend und immer wieder hustend, wie eine schwerst asthmakranke Patientin. »Merde«, sagte sie keuchend, als sie die Tote sah. »Sie haben sie … umgebracht. Sind zu … spät ge…kommen.« Justine blickte zu Eric, der ihr ein Zeichen gab, keine weiteren Fragen zu stellen.
Langsam ging Sia derweil weiter. »Brennt das Haus nieder«, sagte sie leise. »Wir treffen uns beim Wagen.«
Eric schickte Justine mit einem Nicken los, damit die Vampirin nicht alleine war, und legte an verschiedenen Stellen im Gebäude Feuer.
Was für ein Horror.
Ein paar Gasflaschen deponierte er im Gang und drehte die Ventile auf, damit der Tunnel einbrach und den Rest des Labyrinths
mit Moorwasser flutete.
Eric verließ das Haus, aus dem im obersten Stock bereits die Flammen schlugen. Er hatte das Auto fast erreicht, als es eine dumpfe Explosion gab, gefolgt von weiteren, und ein lautes Blubbern erklang.
Er sah sich um.
Teile des Sumpfs sackten nach unten, das Wasser versickerte schlagartig. Moospolster gerieten durch den Sog ins Treiben, und
Tiere kreischten aufbegehrend.
Damit haben die Sídhe ein Versteck weniger.
Eric sah, dass Justine hinter dem Steuer des Touareg saß, Sia hatte sich neben die Tote auf den Rücksitz begeben. Blieb für ihn die Beifahrerseite.
Er stieg ein und sah zu, wie die letzten Reste des Hauses ein Opfer der Lohen wurden. Justine und Sia verfolgten das Schauspiel
ebenfalls schweigend.
Der süßliche Geruch der Verwesung machte sich im Auto breit.
»Hilfst du mir dabei, Eric?« Sia vermied es, ihn anzuschauen. »Ich kann dich nur bitten.«
Er musste schlucken und wusste genau, was sie meinte. »Ich verstehe den Wunsch, sie umzubringen. Aber Elena braucht dich jetzt, Sia.« Er bemühte sich, an ihre Vernunft zu appellieren. »Reib dich nicht im Kampf gegen die Sídhe auf. Das Mädchen …«
»… hat seine Mutter verloren, weil ich unfähig war«, unterbrach sie ihn. »Jetzt muss ich wenigstens die Mörder zur Rechenschaft ziehen.«
Was würde ich tun, wenn sie meine Tochter umgebracht hätten?
Und gegen seinen Willen sagte Eric: »Ja.«
»Danke. Danach werde ich alles für dich tun, was du von mir verlangst.«
Verlockend.
Er hätte sie zu gerne in den Arm genommen, sie getröstet und Nähe vermittelt. Doch das hätte dieses schreckliche Begehren ausgelöst. »Ich werde nur von dir verlangen, dich um Elena zu kümmern«, gab er ergriffen zurück.
Sie schwiegen. Das Prasseln und Knacken der Flammen hörten sie deutlich im Innern des Wagens.
»Was machen wir mit ihr?«, fragte Justine, ohne die Augen vom Feuer zu wenden.
Eric dankte dem Himmel, dass seine Halbschwester in ihrer charmanten Weise nicht mehr über Gestank und dergleichen hinzugefügt hatte.
Manchmal besitzt sie doch Anstand.
Sia entgegnete nichts.
Die letzten Teile des Hauses brachen zusammen, ein Funkenregen schoss hoch hinauf in den Nachthimmel und versah das Firmament
mit weiteren, orangefarbenen Sternen.
»Ich werde sie verbrennen«, sagte Sia und stieg aus. »Die Asche kehrt mit mir nach Deutschland zurück.« Als Eric sich anschickte, ihr folgen zu wollen, lehnte sie rasch ab. »Lass. Ich mache diese Sache alleine.« Sie sah Justine an. »Ruf den Ard Rí an, bitte. Er soll dir sagen, wo ich die wichtigsten Sídhe finde. Mit ihnen fange ich an.« Die Autotür schlug zu, dann wurde der Kofferraum geöffnet und gleich wieder geschlossen.
Eric und Justine verfolgten, wie Sia als Silhouette vor dem hellen Feuerschein und mit ihrer Nachfahrin auf den Armen zum Haus zurückkehrte; in der Rechten trug sie einen kleinen Ersatzkanister mit Benzin.
»Merde, merde et encore une fois: merde!« Justine musste husten und sog rasselnd Atem ein. »Hat sie mir geglaubt, als ich gesagt habe, dass es mir leidtut?«
»Ja. Das hat sie.« Eric fühlte einen tiefen Hass gegen die irischen Vampire. »Ruf den Ard Rí an. Es sollen die Köpfe der Sídhe rollen.« Sie nahm ihr
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