Judastöchter
deutete auf ihre Klamotten im Schnee und machte ihm mit einer Geste klar, dass er ihr die Sachen reichen sollte; sie schaltete Motor und Licht aus.
»Weil ich noch mehr über Sie erfahren wollte. Sie, Ihre Schwester und Ihre Nichte. Nach der Nacht, in der ich Morangiès erledigt hatte, tauchten ein paar Fragen auf, die mich nicht in Ruhe gelassen haben.« Eric sammelte ihre Kleidung ein und blieb auf einen Fingerzeig vier Schritt vom Fenster entfernt stehen.
»Reinwerfen«, befahl sie.
»Holen kommen«, gab er grinsend zurück.
»Hätten Sie gerne.«
Er lachte erneut und warf die einzelnen Stücke nacheinander ins Wageninnere. »Ich hatte mich gefragt, wie eine scheinbar normale Familie an Werwölfe geraten kann und warum Morangiès Unschuldige umbringen wollte. Also habe ich recherchiert.«
Sia begann, sich rasch anzuziehen – und verharrte. »Haben Sie meine Unterhose behalten?«
Eric zeigte neben sie. »Ist am Außenspiegel hängengeblieben. Schönes Modell. Ich mag Pantys.«
»Schön für Sie. Tragen Sie doch einfach welche, dann müssen Sie nicht mit denen von Frauen herumspielen.«
Ich weiß immer noch nicht, was er von mir will.
»Sie haben zwei Namen im Gebrauch, wie ich feststellen durfte: Sarkowitz und von Schwarzhagen, wobei Ersterer der ältere ist. Zuerst hatte ich den Verdacht, dass Sie zu den Leipziger Werwölfen gehören, aber ich erinnerte mich an unsere erste Begegnung, als Sie mich so liebevoll mit einem Haken oder etwas Ähnlichem aus dem Verbrennungsofen gezerrt haben.«
»Sie waren nicht ohnmächtig?«
»Halb. Danach habe ich mich gefragt, was Sie
dann
sein könnten, anstelle einer Wandlerin, wenn Sie schon eine Feindschaft mit Morangiès pflegen. Ich war ehrlich erstaunt, als ich ihn verfolgte und bei Ihnen gelandet bin. Und auf den Spuren eines Mannes, der sich Harm Byrne nannte.«
»Und da dachten Sie, Sie hetzen mich mit Ihrem X6 ein bisschen durch die Gegend, machen meine Hayabusa zu Schrott und laden mich danach zum Essen ein?« Sia hatte ihre Garderobe wieder angelegt.
Von weiter weg näherte sich Blaulicht, ein Martinshorn erklang. Aufmerksame Nachbarn hatten unter Garantie die Polizei gerufen, die gegen die Laubenparkvandalen vorgehen sollte.
Eric grinste wie ein Schuljunge. »Ganz so war es nicht.
Sie
wollten das Rennen. Ich habe versucht, Ihnen Zeichen zu geben, es sein zu lassen.«
»Anrempeln ist kein Zeichen!«, fauchte sie.
»War keine Absicht. Der Untergrund ist tückisch.« Eric kam an die Tür und öffnete sie. »Wir sollten fahren. Und Sie sollten Ihre Maschine als gestohlen melden. Wenn mich jemand fragt, wo Sie gewesen sind, werde ich sagen, dass wir eine Spritztour unternommen haben. Einverstanden?«
»Eine Spritztour durch verschiedene Gärten.« Sia blieb sitzen. »Ich habe noch immer nicht verstanden, was Sie von mir möchten.«
Eric lächelte. »Werwölfe.«
»Bitte?«
»Ich dachte, dass Sie wieder Besuch von Werwölfen bekommen, und wollte in Ihrer Nähe bleiben. Ich jage diese Bestien. Die meisten in Leipzig habe ich erwischt, zwei müsste es noch geben, aber sie haben sich vor mir verkrochen. Meine Hoffnung war, dass es die Fellträger auf Sie und Ihre Angehörigen abgesehen haben. Scheint aber nicht der Fall zu sein.«
Sia hatte eine kleine, unvermutete Hoffnung und sah ihm ins attraktive, rasierte Gesicht. »Haben Sie nur
mich
bespitzelt oder auch meine Nichte und meine Schwester?«
»Um ehrlich zu sein, habe ich mich auf Sie konzentriert. Bei Ihnen war das Potenzial am größten, wieder in Schwierigkeiten zu geraten.« Er schien ihren besorgten Gesichtsausdruck zu bemerken. »Oder habe ich mich dabei getäuscht?«
Ein zweiter Geistesblitz durchzuckte sie.
Wenn ich es geschickt anstelle, bekomme ich einen Verbündeten auf der Suche nach Elena, der einiges an Potenzial besitzt.
»Möglich.« Sia rutschte auf den Beifahrersitz.
Eric stieg ein, aktivierte den Motor und fuhr los; die Scheinwerfer blieben aus. Dabei walzte er den dritten, schief stehenden Flamingo rücksichtslos platt. »Erzählen Sie.« Mit traumwandlerischer Sicherheit fuhr er den Weg zurück, bis er die Straße entdeckt hatte und gnadenlos durch zwei noch unberührte Laubenparzellen donnerte. Der BMW zermalmte einen grinsenden Ton-Igel.
Was sage ich ihm?
Sia überlegte hektisch, wie viel sie Eric berichten konnte, ohne dass ihre Lüge auffliegen würde. Je nach Grad seines Kenntnisstands konnte ihre List nach hinten losgehen.
Es muss eine Information sein, die ihn dazu
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