Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Judastöchter

Titel: Judastöchter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
verraten.
    Sie lächelte über die kleine Gemeinheit und öffnete den Eingang, betrat die Halle mit der marmornen Treppe, die nach oben zu einer geschnitzten, fast schwarzen statt braunen Doppelflügeltür führte. Davor stand ein typisch britischer Butler, der nichts anderes war als ein Wächter und jedem den Zutritt verweigern würde, der nicht Mitglied oder Aspirant war. Der Unterschied zu einem herkömmlichen Bediensteten bestand darin, dass er einen schulterhohen Zeremonienstab in der linken Hand hielt.
    Zu ihrer Rechten öffnete sich ein gut besuchtes Café mit hellen Holzvertäfelungen, was sie recht ungewöhnlich für Irland fand. Iren standen eher auf Dunkles, wenn es um die Inneneinrichtung von Bars und Pubs ging.
    Boída, die für ihren Besuch eine schwarze, lange Perücke ausgesucht hatte, warf dem Butler einen Blick zu und trat in den
TeaRoom
, sah sich um.
    Noch hatte sie keine Ahnung, warum sie Righley hierhergeschickt hatte. Die Decke fiel ihr wegen der vielen schimmernden Intarsien unverzüglich auf, und sie erinnerte sich, so etwas Ähnliches in Dublin gesehen zu haben. In einer Bibliothek. Es war eine Ausstellung über das Book of Kells gewesen.
    Die Menschen um sie herum kümmerten sich nicht um sie. Gelegentlich wurden ihr Blicke zugeworfen, aber in keinem erkannte sie Ablehnung oder Misstrauen. Weder ein besonderer Geruch noch besondere Vorkommnisse, die Boída unter normalen Umständen darauf gebracht hätten, dass es sich bei dem
TeaRoom
um einen Mosaikstein in einem Rätsel handelte. Aber da war noch die Silberklinke.
    Boída setzte sich an einen Tisch am Fenster und nahm die Karte.
    Eine weibliche Bedienung lief hinter dem Tresen hervor und kam zu ihr. »Hallo und einen wunderschönen guten Tag. Ich bin Angela. Was darf es sein?« Die hellen Haare waren mit Gel in eine unkonventionelle Frisur gezwungen worden, eine grüne Schürze verdeckte den Großteil ihrer Kleidung.
    »Einen starken Tee und ein Stück vom hausgemachten Zitronenkuchen, bitte.« Sie deutete an die Decke und merkte, wie sich die Wärmepflaster an den seitlichen Rippen spannten. »Das ist eine tolle Arbeit.«
    »Ja, nicht wahr? Wir sind froh, dass wir sie erhalten konnten. Die Bemalungen auf den Wänden waren leider nicht mehr zu retten.« Angela schaute bedauernd.
    »Ach?« Boída wollte nachhaken, atmete dabei irgendwas Kleines ein und musste husten. Sie versuchte, mit ihrer geschickten Zunge den Krümel ausfindig zu machen und nach vorne zu schieben, um ihn auszuspucken, schaffte es aber nicht. »Was ist denn passiert?«
    Angela drehte sich halb zur Seite und wollte los, die Bestellung abliefern. »Die Küche hat gebrannt, und das Löschwasser hat mehr Schaden angerichtet als der Qualm und die Flammen zusammen.«
    Ein Pärchen kam herein, und Angela wies auf den freien Tisch am anderen Ende. »Gehen Sie dahin, da habe ich gewischt.«
    »Das muss ja wundervoll ausgesehen haben.« Boída machte mit dem Handy ein paar Fotos von der Decke. »Was war vorher hier drin?«
    »Nichts. Das Haus stand lange leer und war total heruntergekommen. So ist es viel besser. Ein echtes Schmuckstück für Maghera.« Angela eilte zum anderen Tisch, wo vom Pärchen signalisiert wurde, dass man ihre Dienste benötigte.
    Sosehr sich Boída anstrengte, Ungewöhnliches zu erkennen, es gab nichts. Leicht frustriert drohte sie Righley mental bereits Schläge an, der sie vollkommen grundlos nach Maghera geschickt hatte. Oder er hatte sie loswerden wollen, um eigene Pläne in die Tat umsetzen zu können. Dieser stinkende Fuchs würde es bald bereuen, sie verarscht zu haben.
    Tee und Kuchen wurden vor ihr abgestellt, und endlich schaffte es Boída, den Krümel in ihrem Mund zu erwischen. Sie pflückte ihn mit den Fingern von den Lippen und wollte ihn wegschnippen – und verharrte: War das
Silber?
    Würde sie unter den gleichen Einschränkungen leiden wie alle europäischen Wandler, hätte sie ein gewaltiges Problem: Verbrennungen und starke Schmerzen an den Schleimhäuten. Sie wusste nicht wirklich, wie sie den Silberflitter in den Mund bekommen hatte.
    Boída gab Milch und Zucker in den Tee, registrierte, dass Silberbesteck serviert wurde, und wollte just die Gabel in den lecker duftenden Zitronenkuchen senken – als das leichte Schimmern auf dem goldgelben Gebäck sie zum Innehalten brachte. Mit einem Zinken untersuchte sie ihren Fund und stufte ihn als neuerliches Silberfitzelchen ein. Bei der Gelegenheit erkannte sie ein weiteres. Damit kam sie

Weitere Kostenlose Bücher