Judastöchter
nicht ein,
Sie erpressen mich. Erpressung ist strafbar, Mister Smyle.« Sia lächelte und zeigte ihm die Fangzähne. Zufrieden registrierte sie, dass er in seinem Sessel kleiner wurde, die neuerliche Einschüchterung hatte funktioniert.
Nein, er ist niemals im Leben ein Judassohn.
»Ich will mit meiner Nichte und meiner Schwester sprechen, sonst gehe ich wieder. Ohne Lebensbeweis keine toten Wandler.«
»Versprechen kann ich nichts. Ihrer Schwester geht es nicht so gut, wie Sie wissen. Aber Sie sollen sehen, dass ich mich bemühe, Ihre Vorgaben zu erfüllen.« Weiterhin von ihrem forschen Auftreten beeindruckt, zog er sein Handy aus dem Mantel, drückte auf den Ziffern herum und hielt sich den Hörer ans Ohr, dann reichte er es an sie weiter. »Hier.«
Sia lauschte und hörte Atemgeräusche und das Piepsen elektrischer Geräte. Sonst nichts.
Wenn sie denken, das würde mir als Beweis ausreichen, haben sie sich getäuscht.
Sie sah Smyle an. »Dann holen Sie mir Elena …«
»Sia?«, erklang Emmas brüchige Stimme. »Sia, wo bist du?«
Ihr wurde siedend heiß.
Sie ist aus dem Koma erwacht.
»Emma, bleib ruhig. Ist Elena bei dir?«
»Ich …«, setzte Emma an, dann riss der Kontakt ab. Sia starrte auf das Handy.
»Das sollte reichen. Ist es nicht schön, dass es Ihrer Schwester in unserer Betreuung schon viel besser geht? Trotz der Dialyse?« Smyle hielt die Hand auf und verlangte sein Handy zurück. Sie warf es ihm zu. »Wann werden Sie aufbrechen?«
Sia verzichtete darauf, weitere Informationen von Smyle zu sammeln. Je mehr sie den Anschein erweckte, sich zu fügen, desto sicherer fühlten sich die Vampire und ihre Sídhe.
Ich spiele mein eigenes Spiel. Mit meinen Regeln.
Sie würde mit Eric zusammen neue Informationsquellen erschließen. Ihre potenziellen Opfer zum Beispiel.
Die Wandler können mir garantiert mehr über Smyle sagen.
»Es gibt ein Problem«, antwortete sie. »Die Irische See.«
Der Vampir hob als Widerspruch den Finger. »Und es gibt dazu die passende Lösung. Wie Sie wissen, Miss Sarkowitz, war Harm Byrne auch ein Judassohn. Bei seiner letzten Reise haben wir ihn verfolgen lassen und festgestellt, wie es ihm gelungen ist, den Fluch der Unüberquerbarkeit von fließendem Gewässer aufzuheben: ein Mini-U-Boot.«
»Bitte?«
So einfach kann es doch nicht sein!
Smyle lächelte wieder. »Simpel und doch effektiv. Er hat sich zwei kleine Schleusen bauen lassen. Mit einem aufgemotzten Forschungsunterwasserschiffchen ist er gependelt. Wichtig ist, dass Sie
im
geschlossenen Bassin ein- und aussteigen. Damit wird aus dem Meerwasser ein stehendes Gewässer. Dann tauchen Sie, die Klappen werden geöffnet, und Sie fahren los, ohne die Auswirkung des Fluchs fürchten zu müssen. Was geschieht, wenn Sie einen Fehler machen, werden Sie sich selbst ausmalen können.«
Aber ja! Byrne hat die Lösung gefunden: Ich befinde mich mit dem Boot bereits unter Wasser, wenn sich das Wasser aus der See mit dem im Becken vermischt. Ich darf nur nicht den Fehler begehen, einfach aufzutauchen.
Sia wurde mehr als unbehaglich zumute. Zwar war Byrne der lebende Beweis, dass es gelang, den Fluch zu umgehen, aber die knappen dreißig Minuten unter dem Kanal hindurch hatten ihr zugesetzt – wie wäre es erst, wenn sie, umgeben von Wasser, eine stundenlange Fahrt unternehmen musste?
»Die Steuerung ist recht einfach. Ich weise Sie in die Bedienungselemente ein. Sie schaffen das locker, Miss Sarkowitz. Und immer schön an Elena und Emma denken.«
Das war’s!
Sia sprang auf, holte aus und schmetterte dem verwunderten Vampir die Faust gegen das Kinn, dass er aus dem Sessel geschleudert
wurde und gegen das Bettgestell fiel.
Seine Züge hatten sich verschoben und verformt, die Gesichtsknochen waren mehrfach gebrochen. Unter lauten Schreien regenerierte sich Smyle. Blut floss ihm aus Mund und Nase, aber er wagte es nicht, sie anzugreifen.
»Ihr Sídhe kann froh sein, dass er nicht gekommen ist. Sonst hätte er den Schlag abbekommen.« Sie ging zu ihm, schleifte ihn am Kragen durchs Zimmer und schleuderte ihn in den Gang hinaus. »Rufen Sie mich an, und sagen Sie mir, wohin ich wegen des U-Boots morgen kommen soll.« Sia schlug die Tür zu.
Das war sinnlos, aber ich habe es einfach gebraucht.
Sie atmete tief ein und versuchte, zur Ruhe zu kommen.
Einen Unschuldigen hat mein Hieb jedenfalls nicht getroffen.
Es klopfte an der Tür.
Hat er was vergessen?
Sia öffnete sie und holte zum zweiten Schlag aus.
»Zimmerservice?«
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