Judastöchter
in die Wege leiten kann. Hätten Sie in einer Stunde für mich Zeit?«
»Wo?«
»Bleiben Sie einfach in Ihrem Zimmer. Ich komme zu Ihnen. Und seien Sie nett zu mir. Ich bin nur der Bote.« Er legte auf.
Jonathan Smyle.
Wenigstens hatte sie einen Namen.
Sia fuhr mit dem Lift nach oben und bezog ihr Zimmer. Sie packte erst gar nicht aus, legte den Koffer nur aufs Bett und suchte Erics Netbook heraus. Eingeschaltet war es schnell, und sie forschte im Internet nach ihrem Kontaktmann. Zu ihrer großen Verwunderung wurde sie gleich in mehreren Zeitungsartikeln fündig.
Falls er mir seinen echten Namen genannt hat.
Hatte er nicht gelogen, war er laut den Berichten Museumswächter in King John’s Castle in Limerick gewesen und wurde seit einem Überfall, bei dem eine Harfe gestohlen worden war und mehrere Teile des Gebäudes in Mitleidenschaft gezogen wurden, vermisst. Das Bild zeigte einen Mann mit roten Haaren, das Gesicht glattrasiert und markant. Die Farbe der Augen ließ sich schlecht erkennen, die Qualität der Aufnahme gab es nicht her.
Entweder er ist ein typischer Ire, oder es gibt noch ein Judaskind. Wieso kommen alle nach Irland? Bin ich die Einzige, die Probleme mit fließendem Wasser hat?
Sia suchte noch ein wenig weiter, fand aber ansonsten nichts Interessantes über den Mann. Ein anderes Bild von ihm bei einer Ausstellungseröffnung zeigte ihr, dass er hellgrüne Augen hatte.
Das Zimmertelefon läutete, Eric rief an. »Hatten wir nicht ausgemacht, dass Sie mir sagen, welche Zimmernummer Sie haben, damit ich in der Nähe bleiben kann?«
Stimmt. Das hatten wir.
»Habe ich vergessen. Wo sind Sie jetzt?«
»512.«
»Das ist drei Stockwerke über mir. In«, sie sah auf die Uhr, »einer halben Stunde kommt ein Jonathan Smyle und wird mit mir reden.«
»Gut. Ich komme zu Ihnen. Wo sind Sie?«
Ist das eine gute Idee?
Sia zögerte. »Ich will nicht, dass Sie meine Schwester und meine Nichte durch Heldenaktionen in Gefahr bringen.«
»Ich verspreche, dass ich ruhig im Schrank warten werde«, gab er zurück.
Im Schrank. Ein Klassiker.
»324.« Sie legte auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen und anzulehnen – schon trat Smyle herein. Er sah aus wie auf dem Foto, nur dass seine Augen etwas Stechendes besaßen. Sie wusste sofort, dass sie es mit einem Vampir zu tun hatte.
»Hello, Miss Sarkowitz.« Er trat ein und schob die Tür zu. »Sie haben mich jetzt schon erwartet?«
»Nein. Den Zimmerservice. Ich hatte mir etwas zu essen bestellt.«
Das war nicht geplant.
Sia steckte die Hände in die Taschen. Die Rechte umfasste das Handy, sie gab Erics Nummer ein und zog das Telefon aus der Hose, legte es zusammen mit dem Geldbeutel auf den Tisch. Sie wollte, dass es aussah, als mache sie es sich bequem. »Warum sind Sie schon hier?«
»Neugier.« Smyle grinste und setzte sich ungefragt in den Sessel neben dem Fenster. »Wie ich sehe, sind Sie alleine angereist.«
»Ja. Wen hätte ich mitbringen sollen?«
Sollte das eine Anspielung sein?
»Nur eine Frage, mehr nicht.« Smyle bat sie mit einer Geste, Platz zu nehmen. »Oh, meinen Dank, dass Sie Harm Byrne erledigt haben. Das hat uns sehr viele Scherereien in Irland erspart, denn ich war fest davon ausgegangen, dass er früher oder später zurückkehren würde.«
»Was hatten Sie mit ihm zu tun?«
»Geschäfte. Er hat zu viel Anspruch auf etwas erhoben, was ihm nicht zustand.«
»Was habe ich Ihnen getan, dass Sie Emma und Elena entführen ließen?« Sia setzte sich und hoffte, dass Eric verstanden hatte: nur zuhören, nicht eingreifen.
»Getan haben Sie mir nichts. Ganz im Gegenteil: Sie
sollen
etwas für mich tun.« Er langte in seine dunkelbraune Jacke und legte einen zusammengefalteten Zettel auf den Tisch. »Das sind die Namen der Personen, die Sie umbringen sollen. Sie halten sich alle in Irland auf, die Adressen habe ich Ihnen dazugeschrieben.« Smyle legte die Finger zusammen. »Es sind alles Wandler. Welcher Spezies sie angehören, habe ich auch für Sie notiert. Auf dem Chip finden Sie die Fotos der Männer und Frauen.«
Sia zog das Blatt zu sich, in dem noch eine SD -Speicherkarte eingeschlagen war, klappte es auf. Fein säuberlich durchnumeriert reihten sich die Namen untereinander. »Vierzig?«, entfuhr es ihr ungläubig.
»Ja. Ich habe sie nach Spezies zusammengefasst, nicht alphabetisch. Es geht in erster Linie um die Anführer und besonders starke Exemplare.«
Sia las die Bezeichnungen der Wolfshunde, und zwar mehrere Rudel,
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