Judaswiege: Thriller
dem nächsten Schritt war er bis auf knapp über fünf Meter an die Männer herangekommen. Er musste weiterreden: »Wir verfolgen einen Flüchtigen, dem mehrere Morde zur Last gelegt werden, Bruce. Und wir haben keine Zeit mehr.« Noch vier Meter. Jetzt wusste Sam, dass er gewonnen hatte. Keiner der Beamten würde auf einen vermeintlichen FBI-Beamten aus nächster Nähe schießen, um später schwören zu müssen, dass er die Marke nicht erkannt hatte. Das FBI galt nicht als zimperlich, was den Umgang mit lokalen Polizisten anging, die seine Kompetenz infrage stellten. Sam trat an das Auto des Officers, der ihn direkt angesprochen hatte, und hielt ihm seine Marke vor die Nase. Sichtlich erleichtert atmete Bruce auf und steckte seine Waffe in das Holster am Gürtel.
»Agent Burke …« Er schüttelte ihm die Hand. Sam nickte abwesend und horchte in sein Telefon.
»Ich hab sie, Sam. Sie scheint sich noch immer in der Festhalle aufzuhalten. Im Westflügel, ganz in der Nähe eines Notausgangs.«
»Bruce«, wandte sich Sam an den Beamten, dessen Kollegen schon begonnen hatten, das Parkdeck weiträumig mit gelbem Absperrband zu sichern. »Sie müssen mir helfen. Ich brauche die beiden besten Beamten, die Sie im Gepäck haben.«
Bruce Chapman nickte: »Und welche Fähigkeiten hatten Sie da genau im Blick, Agent Burke?«
»Dann will ich mich mal etwas präziser ausdrücken, Officer Chapman. Geben Sie mir die beiden besten Schützen dieser vier Streifenwagen, und Sie sind mich fürs Erste los.«
Eins muss man ihm lassen, er fackelt nicht lange, dachte Sam, als er beobachtete, wie sich zwei der Beamten auf einen scharfen Befehl hin von den Absperrbändern verabschiedeten und vor ihm aufreihten. Er blickte ihnen in die Augen und erklärte ihnen, was sie zu tun hatten.
—
Rascal Hill spürte, dass er sie in seiner Macht hatte. Die FBI-Schlampe stolperte vor ihm her durch die Halle des Konzertsaals. Er lief ganz dicht hinter ihr, von außen mussten sie wie ein Liebespaar wirken. Was sie ja gewissermaßen auch waren, obwohl die Waffe in ihrem Rücken den meisten dabei seltsam vorgekommen wäre. Für Rascal Hill bedeutete sie keinerlei Störfaktor, im Gegenteil.
»Bleib ganz locker, meine Kleine. Gleich sind wir unter uns«, flüsterte er ihr ins Ohr und roch dabei an den blonden Locken, die ihr püppchenhaftes Gesicht umspielten. Sie roch nach Pfirsich und Pfeffer, ein wenig herb für seinen Geschmack. Normalerweise bevorzugte er die billigen, blumig-süßen Parfums jüngerer Frauen, diese Supermarktware in grellpinken Plastikflaschen. Aber dafür war sie hübsch. Und gefährlich, erinnerte sich Rascal Hill. Es erregte ihn umso mehr. Das Einzige, was ihm im Moment Sorgen bereitete, war die Tatsache, dass er sich auf diese Situation nicht hatte vorbereiten können. Er hatte keine Liste für ihre Flucht anlegen können, schließlich hatte niemand ahnen können, dass sie seine Familie missbrauchen würden, um ihn zu finden. Nur um ihn zu finden, das musste man sich mal vorstellen. Der Zorn stieg wieder in ihm auf, und mit ihm kam die Lust, es der FBI-Schlampe heimzuzahlen. Jetzt und hier.
Kurz bevor er sein Ziel, eine unscheinbare Tür in einem der während einer Vorstellung menschenleeren Seitengänge, erreichte, roch er noch einmal an ihrem Hals. Und flüsterte: »Freust du dich auch so wie ich?«
Sie drehte den Kopf zu ihm, und ihre Augen funkelten ihn böse an.
»Na na«, wies er sie zurecht und drückte den Lauf der Pistole gegen ihre Wirbelsäule. Mit der Mündung konnte er sogar die einzelnen Knochen ertasten. Und wie er sich auf sie freute. Er würde nicht mehr lange warten müssen. Ohne die Hand von der Schusswaffe zu nehmen, kniete er sich vor das Türschloss und zog einen Universaldietrich aus der Tasche.
—
Gefolgt von den beiden jungen Beamten der Omaha Police stürmte Sam Burke an der Häuserwand des Konzerthauses entlang bis zum Notausgang des Westflügels.
»Sie bewegt sich, Sam.«
»Was soll das heißen, sie bewegt sich?«, keuchte Sam und hielt sich mit der rechten Hand beim Laufen die rechte Seite. »Verdammt noch mal, sag mir, wohin sie sich bewegt, Wesley.«
»Leichter gesagt als getan, Sam«, er hörte ihn im Hintergrund hektisch tippen. »Die Zellen sind alle auf dem Dach und strahlen kegelförmig nach unten. Ihr Handy wechselt ständig den Mast.«
Sam fluchte und stieß die Tür zum Westflügel auf. Er überlegte fieberhaft, was sie noch tun konnten. War Klara ihm immer noch auf der
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