Judaswiege: Thriller
Schläfe. Er riss an ihren Haaren und zog ihren Kopf zu sich heran. Sein Mund war jetzt genau neben ihrem, er lächelte. Dann schob er sie weiter nach vorne und trieb sie an die gegenüberliegende Wand.
Klaras Angst wurde zur Panik. Sie spürte, dass er jede Kontrolle fallengelassen hatte. Er wusste, dass er nicht mehr entkommen konnte, aber er konnte sie mitreißen, sie wäre seine letzte Trophäe. Plötzlich erkannte Klara, welchen verhängnisvollen Fehler sie begangen hatten. Es ging ihm schon längst nicht mehr um Flucht. Seit seiner Enttarnung musste ihm klar sein, dass er niemals auf Dauer vor ihnen würde weglaufen können. Rascal Hill hatte seinen Plan geändert. Wie zum Zeichen der Bestätigung riss er sie von der Wand los und warf sie auf den Boden. Er kniete sich auf sie und hielt ihr die Waffe mit gestrecktem Arm in den Mund, während er an dem dünnen Chiffonkleid zerrte.
Klara suchte in seinen Augen nach einem Funken Verstand, aber da war nur Gier, grenzenlose Gier nach Gewalt und Tod. In diesem Moment begriff Klara, dass es keine Hoffnung mehr gab. Eine einzelne Träne rann ihr über die Wange. Für Sam. Als sich seine zweite Hand wie ein Schraubstock um ihren Hals legte, bat sie Gott oder wen auch immer darum, dass es schnell gehen würde. In einem letzten Reflex von Widerstand versuchte sie, die todbringende Hand zu lösen, und würgte nach Luft.
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»Ich wusste, dass du es schaffen kannst, Junge!«, rief Sam ins Telefon, nachdem ihm Wesley verkündet hatte, dass er die Berechnung, wohin sich Rascal Hill orientieren würde, abgeschlossen hatte. Diesmal waren sie zu dritt, und Sam betete, dass es diesmal reichen würde. Das letzte Mal, als sie sich auf Klaras neue Methode verlassen hatten, war es gründlich schiefgegangen. Zwar hatte sich Rascal tatsächlich das Festspielhaus ausgesucht, aber es war ihm dennoch gelungen, Klara zu überwältigen.
Sams Verstand arbeitete auf Hochtouren. Laut Wesleys Berechnungen sprach eine Wahrscheinlichkeit von knapp vierzig Prozent für die benachbarte Kirche, etwas über dreißig Prozent für den Keller des Konzertsaals und wenig darunter für einen zuvor abgestellten Fluchtwagen. Sam kramte in den Erinnerungen an seine Notizen nach etwas Brauchbarem. Er glaubte nicht an die Theorie des Fluchtwagens. Sie waren in der Innenstadt. Wenn er wirklich hätte fliehen wollen, hätte er das im Parkhaus tun können. Nein, Rascal Hill ging es nicht mehr um Flucht. Er war aufgeflogen, sie hatten ihm seine Familie genommen. Sam trat gedankenverloren gegen den Mülleimer, neben dem er Klaras Pistole gefunden hatte. Das Metall glänzte, noch einmal trat er dagegen. Etwas fester. Sein Unterbewusstsein versuchte, ihm etwas zu sagen. Noch ein Tritt. Seine Wut. Das war es. Nein, Rascal Hill würde nicht mehr fliehen. Er würde nur noch zerstören, hier und jetzt. Plötzlich wusste Sam, was zu tun war. Er hoffte inständig, dass er recht behielt.
Mit knappen Worten teilte er den beiden Officers der Omaha Police die Kirche und die Parkplätze in der näheren Umgebung zu, ohne selber richtig hinzuhören. Dann machte er sich auf den Weg in den Keller. Dort würde er ihn finden, da war sich Sam sicher. Und einer von ihnen beiden würde dieses Gebäude nicht lebend verlassen. Er hoffte nur, dass er nicht zu spät kam, um Klara zu retten. Sonst würden sie vielleicht alle drei diesen Tag nicht überleben.
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Als der Druck auf ihren Hals nachließ, schnappte Klara nach Luft. Sie hatte kurz das Bewusstsein verloren. Mit dem Reflex einer Ertrinkenden sogen ihre Lungen den Sauerstoff ein, es dauerte einen Moment, bis sie wieder denken konnte. War dies ein Teil seines Spiels? Wollte er sie absichtlich lange leiden lassen? Noch während Klara versuchte zu ergründen, was mit ihr geschah, drang leise eine vertraute Stimme an ihr Ohr. Spielte ihr der Sauerstoffmangel einen Streich, oder war das tatsächlich Sams Stimme? Er sprach so ruhig wie mit einem Kind. Als beruhige er ein kleines Kind. Wer war dieses Kind?
»Du hast dein Leben verwirkt, und das weißt du.«
»Du wirst mich nicht töten, das weiß ich.« Das war die andere Stimme. Die Flüsterstimme. Rascal Hill, erinnerte sich Klara. Sie schlug die Augen auf. Der Mörder saß immer noch rittlings auf ihrem Becken, aber er hatte von ihr abgelassen. Sie sah ihr Kleid, das in Fetzen über ihren Brüsten hing. Sie versuchte, die Arme zu heben, um es zusammenzuziehen, aber es gelang ihr nicht. Sie konnte nur zuhören.
»Ich
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