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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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umarmten sich, obwohl sie sich siezten, was Pia ausgesprochen seltsam vorkam. Nachdem Stein auch dem Neuankömmling ein Glas Wein angeboten und alle auf dem großen Sofa Platz genommen hatten, blickte von Bingen sie erwartungsvoll an. Er hielt das Glas in beiden Händen zwischen seinen Knien wie einen Kelch. Als ahnte er, dass ihn unangenehme Nachrichten erwarteten. Pia blickte zu Boden.
    Schließlich fragte er: »Warum haben Sie mich hergebeten, Thibault?«
    Stein zögerte eine Sekunde, bevor er antwortete: »Adrian, ich habe unerfreuliche Neuigkeiten.«
    Sein Gegenüber machte keine Anstalten zu antworten, sondern starrte mit leerem Blick in das Tiefrot zwischen seinen Beinen. Schließlich blickte er auf. Das Funkeln in seinen Augen war verschwunden, sein Blick war leer und traurig: »Es geht um Jessica, nicht wahr?«
    Stein nickte.
    Pia bemerkte, dass Adrian schluckte. Er schaute zu Thibault auf: »Haben sie Jessica endlich gefunden?«
    Der Anwalt trank einen Schluck Wein, bevor er antwortete: »Nicht ganz«, und reichte ihm ein Blatt Papier, auf dem in den schlierigen Lettern eines Faxes das Siegel des FBI zu erkennen war. Pia, die das Schreiben am Nachmittag gelesen hatte, lief ein Schauer den Rücken hinunter.
    Adrian nahm die Seite mit zittrigen Fingern entgegen und blickte lange Zeit darauf, ohne etwas zu sagen. Als er die Augen schloss, löste sich eine einzelne Träne und zerplatzte auf der Glasplatte des Couchtischs.
    »Thibault, werden Sie mir helfen, die Beerdigung für Jessica zu organisieren?«
    Der alte Mann drückte seine Hand und sagte: »Natürlich, Adrian. Das ist doch selbstverständlich.«
    —
     
    Anderthalb Wochen später standen Pia, Thibault und Adrian vor dem Aushub auf dem Green Wood Friedhof in Brooklyn. Der Ehemann hatte sich eine Trauerfeier im kleinsten Kreis gewünscht, er habe ja auch sonst niemanden, hatte er ihnen erklärt.
    Der Regen pladderte in Strömen auf die schwarzen Regenschirme, und ihre Schuhe versanken im aufgeweichten Gras, als statt eines Sargs eine kleine Urne in die Grube gelassen wurde. Adrian von Bingen warf ein Schäufelchen Erde in das Grab, danach eine rote Rose.
    Pia stand neben ihm, er schien beinahe erleichtert. Sie griff nach der Schaufel: »Schade, dass wir uns nie kennengelernt haben, Jessica«, murmelte sie und hoffte, dass es in Adrians Augen nicht anmaßend klang. Die Krumen fielen auf die Urne, die in der Mitte des Erdlochs ruhte.
    Als Pia ihm ihr Beileid aussprach und seine Hand schüttelte, schien Adrian kurz irritiert. Er schaute über ihre Schulter und nickte kaum merklich jemandem zu. Pia traute sich nicht, sich umzudrehen. Erst als sie auf dem Kiesweg Richtung Ausgang schritten, warf sie einen Blick zurück. Ein älterer Herr und eine Frau waren an das Grab getreten. Sie sahen traurig und verloren aus. Adrian von Bingen drehte sich nicht mehr zu ihnen um.

K APITEL 4
     
    Mai 2011
    Brooklyn, New York City
     
    Klara ›Sissi‹ Swell schwitzte. 56, 57 … Die Muskeln ihrer Oberarme brannten wie Feuer. Sie presste die Lippen zusammen. Komm, Klara, noch drei. Bäuchlings auf einer schmalen Bank liegend, griff sie fest um die beiden Fünfundzwanzig-Kilogramm-Hanteln und zog sie nach oben: 58, 59, 60. Erleichtert atmete sie auf und ließ die Gewichte auf die Gummimatte fallen. Mit der Eleganz, wie sie nur ehemalige Spitzenturnerinnen aufbringen, stemmte sie sich hoch und schwang sich seitlich auf die Bank. Obwohl es in dem billigsten Fitnessstudio der Lower East Side kalt war wie in einem Kühlschrank, dampfte ihr Körper von der Anstrengung ihres täglichen Trainings.
    Sie musste in Form bleiben. Denn wenn schon nichts in ihrem Leben mehr die gewohnte Form aufwies, sollte wenigstens ihr Körper den alten Glanz behalten. Und als ehemalige Turnerin mit der typischen zierlichen Figur war sie stolz auf jedes Kilo Muskeln, das sie in den letzten drei Jahren dazuaddiert hatte.
    Sie trank einen Schluck aus der mitgebrachten Wasserflasche und sah auf die Uhr: Mist, schon Viertel nach drei. In weniger als einer halben Stunde begann ihre Schicht im Schiller’s. Auf dem Weg nach draußen warf sie die leere Plastikflasche in den Mülleimer gegenüber der Rezeption. Für Charlie. Es gibt immer welche, denen es noch schlechter geht, denk daran, Sissi. Danke für die Erinnerung, Daddy, ich hätte nicht für möglich gehalten, dass ich jemals darüber nachdenken könnte, das Pfand doch lieber selbst einzustecken.
    Zwanzig Minuten später saß Klara auf einem

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