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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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nicht angerührt, obwohl bereits der Gerichtsmediziner und die Forensikexperten des örtlichen FBI-Büros am Fundort eingetroffen waren. Sam bedankte sich artig und erkundigte sich nach dem Gelbkopfgeier, um Michael ein Thema zu geben, bei dem er möglichst wenig würde erwidern müssen.
    »Wussten Sie, dass die verschiedenen Geier auf der Erde gar nicht sehr nah miteinander verwandt sind? Die Altweltgeier beispielsweise sind viel näher mit den Adlern verwandt als mit ihren amerikanischen Namensvettern. Geier ist letztlich ein Synonym für aasfressende Vögel, keine biologisch präzise Ordnung.«
    Sam nickte verständnisvoll, wobei er zugeben musste, dass der Vortrag gar nicht uninteressant war. Selbst Klara hörte vom Rücksitz aus aufmerksam zu. Nur Wesley schien in seinen Laptop versunken, aber Sam wusste es mittlerweile besser. Der junge Rotschopf würde jedes Wort mitbekommen, er war wirklich eine Bereicherung seines Teams. Heute würde er seine erste Bewährungsprobe bestehen müssen, seine erste Leiche. Ein Tag, den kein Ermittler jemals vergisst, auch wenn es beinah alle gerne würden.
    »Nur die Neuweltgeier«, setzte ihr Fahrer unbeirrt seine Ornithologievorlesung fort, während die Stoßdämpfer des schweren Wagens auf dem hügeligen Highway ihr Bestes gaben, »also die Aasfresser, die sich in Amerika entwickelt haben, besitzen einen ausgeprägten Geruchssinn. Deshalb verwenden wir fast ausschließlich Große Gelbkopfgeier für unsere Staffel. Sie riechen das in verwesenden Tieren oder, wie in unserem Fall, in menschlichen Leichen gebildete Ethylmercaptan auf bis zu zwanzig Quadratkilometern.«
    Michael Paris grinste schief, als Wesley aufhörte zu tippen.
    »Erstaunlich, nicht? Aber das Zeug stinkt wirklich bestialisch. Werden Sie schon sehen, Agent Brown.«
    Wesley rümpfte die Nase und schaute Hilfe suchend zu Sam, der abwehrend die Handflächen hob.
    »Wo genau haben Sie die Leiche gefunden?«, erkundigte sich Wesley, um abzulenken.
    »Im Bighorn Nationalpark, an einer besonders abgelegenen Stelle. Ohne die Geier wäre sie wohl nie gefunden worden.«
    »Ist ja schon gut«, monierte Sam. »Wie lange brauchen wir bis dahin?«
    »Etwa eine halbe Stunde auf einer halbwegs passablen Straße, danach wird es für eine Stunde rumpelig, und dann stehen uns noch einmal zwanzig Minuten Fußmarsch bevor.«
    Bei dem Gedanken stöhnte Sam innerlich auf. Keiner hat je behauptet, dass dieser Job Spaß machen würde, erinnerte er sich und widmete sich den Akten, solange sie noch auf einer befestigten Straße unterwegs waren. Dreißig Minuten später wurde ihm bewusst, dass Michael Paris nicht zu viel versprochen hatte. Der riesige Geländewagen schunkelte über Schlaglöcher und kämpfte sich eine steile Straße hinauf. Die angekündigte Stunde schien sich bis in die Unendlichkeit auszudehnen. Wenn das so weiterging, wären sie bald von einem ausgewiesenen Vogelexperten nicht mehr zu unterscheiden.
    Die letzten Minuten kämpfte das automatische Sperrdifferential mit dem Terrain, bis der Wagen schließlich vor einem schier undurchdringlichen Dickicht aus pechschwarzen Bäumen stehen blieb. Michael sprang als Erster aus dem Wagen und lud Rucksäcke aus dem Kofferraum. Er warf Klara einen zu: »Sie sehen mir aus, als könnten Sie etwas mehr Gepäck vertragen als die beiden Herren der Schöpfung.«
    Klara fing das Gepäck ohne ein Wort zu sagen und schulterte die Kameraausrüstung, Wesley und Sam bekamen den Getränkevorrat. Immerhin verschont er sich selbst nicht, bemerkte Sam zufrieden, als er sah, dass Paris den größten der vier Rucksäcke trug. Wortlos folgten sie ihm in den dunklen Wald.
    Die Temperaturen waren angenehm, Sam schätzte um die zwanzig Grad, gerade richtig für eine kleine Trekkingtour. Zur Leiche von Theresa, setzte er bitter hinzu. Auf halbem Weg kamen ihnen zwei Mitglieder aus Michaels Team entgegen, die jeweils einen Vogel auf dem Arm trugen. Die Tiere saßen auf einer Art Lederhandschuh und schlugen aufgeregt mit den Flügeln. Sam hatte Geier viel größer in Erinnerung, diese Exemplare waren kaum einen Meter lang und hatten einen auffälligen gelben Kopf. Als Sam gegenüber Michael eine Bemerkung machte, lachte er: »Ja, das ist typisch. Sie sehen riesige Wüstenvögel mit einer seltsamen Halskrause und rotem Kopf. Die haben aber das erforderliche Näschen nicht für diesen Job hier.« Ohne ein weiteres Wort stapfte er weiter.
    Nach etwa einer Dreiviertelstunde erreichten sie eine Art Camp mit

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