Judaswiege: Thriller
in Baton Rouge, Emma Lewinsky. Sie sind Sam Burke, nehme ich an?«
Heißt die wirklich so, oder habe ich mich verhört?, fragte sich Sam und antwortete: »Korrekt. Sind Mr. und Mrs. Michalsky da drin?« Er deutete auf den kurzen Flur Richtung Wohnzimmer. Im Grunde eine überflüssige Frage, wo sollten sie in diesem Schuhkarton von Haus im verdammt noch mal heißesten Staat aller Staaten sonst sein? Er beschloss, ihre Antwort nicht abzuwarten, und stapfte los.
Sam fand die Michalskys auf einer abgesessenen Wohnzimmergarnitur in sich zusammengesunken. Sie sprachen nicht und blickten nicht auf. Sam wusste, dass dies eine harte Nuss werden würde. Er setzte sich auf die Couch gegenüber und stellte sich vor. Sie sprachen noch immer nicht.
»Wir werden Ihre Tochter finden, Mrs. Michalsky, das verspreche ich Ihnen.« Sam hoffte, dass er nicht zu viel versprach. Es hing alles von der Geierstaffel ab, die Bilder waren jetzt seit mindestens zwei Tagen im Netz, und sie hatten keine Alternative. Wenn Michael Paris und seine gefiederten Spürhunde Tina Michalsky nicht finden konnten, wer dann?
Die Michalskys antworteten immer noch nicht, während die Psychologin, die sie seit heute Morgen betreute, leise auf sie einredete. Sam machte es sich auf dem durchgesessenen Sofa so bequem wie möglich. Sie würden mit ihm reden, und dann würde er ihre Fragen mit einer Lüge beantworten müssen. Manchmal hasste er seinen Beruf. Hoffentlich hatten Klara und der skurrile Anwalt mehr Glück. Ihre zweite heiße Spur war die Quelle der Gopher-Tapes. Sam widerstand der Versuchung sie anzurufen und konzentrierte sich wieder auf die Michalskys.
—
Die Zentrale von Truthleaks in Nordamerika lag unweit des Battery Park in einem der anonymen Hochhäuser mit weitaus mehr Firmenschildern als Stockwerken. Die bläuliche Fassade spiegelte die Kumuluswolken, die über Jersey City hingen, wie große Luftschlösser.
»Wussten Sie, dass diese Wolken so schwer werden können wie bis zu siebzehn Elefanten, Miss Lindt?«, fragte Stein während sie gemeinsam durch einen Seiteneingang das Gebäude betraten. Der Haupteingang wurde von einer Meute sensationshungriger Journalisten belagert, und obwohl sie niemand mit Truthleaks in Verbindung bringen konnte, wollten sie kein Risiko eingehen. In der Lobby war es dank überdimensionierter Klimaanlagen gefühlte zwanzig Grad kälter als draußen, und Pia fröstelte. Wenigstens haben sie einen guten Sicherheitsdienst, dachte Pia, Journalisten waren jedenfalls keine zu sehen. Offenbar vollkommen unbeeindruckt von dem jähen Temperatursturz schritt Stein energisch auf den blankpolierten Tresen zu, der die Fahrstühle bewachte.
»Mein Name ist Thibault Godfrey Stein, und wir haben einen Termin bei Mr. Stuart, dem Justitiar von Truthleaks, die …«, er warf einen Blick auf die Firmenschilder, die hinter dem Kopf des Portiers an der Wand hingen, »… wohl hier im dritten Stock residieren.«
Der junge Mann griff eilfertig zum Hörer, aber Stein setzte nach: »Und wenn Sie so gütig wären, sich etwas zu beeilen? Das wäre überaus freundlich von Ihnen.« Die Metallspitze seines Stocks tockte auf dem Fliesenboden wie ein unerbittliches Metronom, das die Zeit hinunterzählt.
Der Portier warf einen unruhigen Seitenblick zu Pia und Klara, die sich achselzuckend im Hintergrund hielten. Kein Grund, den Mann zu beruhigen. Er telefonierte diskret, Pia konnte kein Wort verstehen. Ihr Besuch war allerdings tatsächlich angekündigt, sie hatte noch auf die Schnelle einen Termin vereinbart. Und kein Justitiar, der an einer der großen Unis Amerikas studiert hatte, würde eine freundliche Terminanfrage von Steins Büro ablehnen. Jeremy Stuart machte da keine Ausnahme, und so erschien er höchstselbst keine zwei Minuten später in der Lobby des anonymen Büroturms und begrüßte Stein, als wären sie alte Bekannte, obwohl Pia sicher war, dass Stein ihm noch nie begegnet war. Er hatte rote Haare und einen Bauchansatz, den ihm seine Frau wohl nur wegen der teuren Anzüge und der Begleichung ihrer Arztrechnungen verzieh. Pia fand ihn fürchterlich unattraktiv.
»Der legendäre Thibault Godfrey Stein, was verschafft mir die Ehre?«
Der alte Mann deutete mit seinem Stock in Richtung Aufzüge und murmelte etwas von: »Gehen wir doch vielleicht in Ihr Büro, Mr. Stuart.« Es war keine Bitte, und die für Stein wesenstypische Höflichkeit war verschwunden.
»Gerne, wenn ich vorgehen darf?«, entschuldigte sich Jeremy
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