Judaswiege: Thriller
und Wells tätig sind?« Ohne abzuwarten, ob Stuart nickte, fuhr Stein fort: »Und Sie stehen kurz davor, Partner zu werden, habe ich mir sagen lassen. Es fielen Wort wie ›bestes Pferd im Stall‹, wenn ich mich recht entsinne.«
Dieses Thema schien Jeremy wesentlich besser zu gefallen, denn er grinste selbstgefällig und richtete sich in seinem Stuhl auf wie ein übereifriger Student, der ein unerwartetes Lob von seinem Professor bekommen hat. Auf der anderen Seite von Pias Leitung klingelte es zum dritten Mal, als eine sehr helle, unangenehme Frauenstimme abnahm: »Hackmann, Baron und Wells, Mr. Hackmanns Büro, hier spricht Sally, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Hallo Sally, hier ist Pia, die Assistentin von Thibault Stein. Er hätte gerne Mr. Hackmann gesprochen, wenn das möglich ist … Nein, sofort … Danke, wir warten.«
Sie hielt den Hörer zu und raunte Stein zu: »Sie holt ihn aus der Sitzung, wie besprochen.« Stein nickte.
»Mr. Stuart«, er sprach das Stuart mit scharfem »s«, seine Stimme klang eiskalt. »Ich wünschte, ich könnte Ihnen das ersparen, aber Sie lassen mir keine Wahl.«
Jeremy Stuarts Gesicht schien weißer als die Wand, vor der er saß. Er starrte ungläubig abwechselnd auf die Papiere in seiner Hand und zu Stein, der keine Miene verzog. In dem Moment, als Pia Stein den Hörer reichte, hätte sie schwören können, dass er aufspringen und das Telefon aus dem Fenster werfen wollte, aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen nahm ihr Chef in aller Seelenruhe den Hörer aus ihrer Hand und begrüßte seinen alten Kollegen: »Mr. Hackmann, schön, dass Sie es einrichten konnten. Ja, danke, es geht ihr wunderbar. Wie war Ihr Ausflug nach Texas?« Stein nahm das Handy in die andere Hand und hievte sich, mit der Rechten auf seinen Stock gestützt, aus dem Stuhl. »Sie entschuldigen mich kurz?«, fragte er in die Runde, ohne auf das mechanische Nicken von Stuart zu warten.
»Natürlich, Mr. Stein«, flüsterte Stuart, als der Anwalt längst aus der Tür war.
»Was hat er vor?«, versuchte es Jeremy Stuart bei Pia. Sie zuckte die Achseln, als hätte sie keine Ahnung, was ihr Chef von Mr. Hackmann wollte. Währenddessen fuhr Klara auffällig mit dem Finger über die Kante des Fensterbretts: »Ganz schön dreckig hier, dafür, dass Sie gerade erst eingezogen sind. Ich würde mal mit dem Vermieter reden. Apropos Vermieter: Würden Sie mir verraten, wo hier bei Ihnen die Waschräume sind, ich …«, den Rest des Satzes verschluckte sie in kokettem Schweigen.
»Gleich nach der Tür links, den Gang bis zum Ende und dann nach rechts. Können Sie nicht verfehlen.« Als Klara den Raum verlassen hatte, stellte Pia fest, dass Jeremy der Waschraum und überhaupt alles hier im Moment wahrscheinlich vollkommen egal war. Er wartete auf die Rückkehr von Thibault Stein. Sicher fragte er sich, ob sein Einfluss so weit reichen würde, dass ihm Hackmann trotz stets ordentlicher Leistungen eine Rüge erteilen oder gar die schon ausgemachte Partnerschaft verweigern würde.
Thibault kam nach einer Ewigkeit zurück, während Pia das nervöse Getrommel von Jeremys Kugelschreiber auf der Tischplatte ertragen musste. Wahrscheinlich war er nicht einmal fünf Minuten aus dem Raum gewesen, aber ihr hatte es gereicht. Wortlos gab er Pia das Telefon zurück und setzte sich an den Tisch. Stuart schien es kaum auszuhalten, die Taktfrequenz seines Kugelschreibers hatte deutlich zugenommen, aber Stein goss sich zunächst in aller Ruhe ein Glas Wasser ein. Verdammt, das Wasser. Pia, du wirst nachlässig. Oder zählt das hier nicht? Schließlich sind wir nicht bei einem Prozess, und es heißt ja schließlich Steinsche Prozessordnung, und nicht Steinsche Meetingordnung, oder? Sie beschloss, ihn bei Gelegenheit danach zu fragen.
Genau in dem Moment, als das Kugelschreiberklopfen für einen kurzen Moment aussetzte, begann Stein ruhig und mit deutlich sanfterer Stimme als zuvor zu sprechen. Als Pia merkte, worauf er hinauswollte, wusste sie, warum er die Härte im Tonfall nicht brauchte – das Brisante war in diesem Fall der Inhalt seiner Worte.
»Mr. Stuart«, begann Stein leise, »ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Sie in absehbarer Zeit kein Partner bei Hackmann, Baron und Wells werden.«
Jeremy wurde kreidebleich, der Stift blieb ruhig. An seinen rötlichen Schläfen bildeten sich dort, wo die Haare dünner werden, dicke Schweißperlen.
»Aber das können Sie doch nicht machen …«
»Sie
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