Judaswiege: Thriller
können gerne anrufen, wenn Sie mir nicht glauben«, forderte Stein und bedeutete Pia, Stuart das Handy zu reichen. Im Hintergrund schlüpfte Klara von Stuart unbemerkt wieder in den Raum. Sie trocknete noch ihre Hände und steckte das Papiertuch in ihre Jackentasche, bevor sie wieder ihren Platz vor der Fensterfront einnahm.
»Nein, danke«, flüsterte Jeremy.
»Genau genommen«, fuhr Stein trocken fort und sah dem Anwalt dabei direkt in die Augen, »sind Sie nicht einmal mehr Angestellter von Hackmann, Baron und Wells.«
Stuart stöhnte auf und rubbelte sich mit den Händen durchs Gesicht, als könne er so aus einem bösen Traum aufwachen, und alles wäre wieder wie immer.
Als er wieder aufblickte, war sein Gesicht beinahe so rot wie seine Haare, zur Fassungslosigkeit hatte sich eine gehörige Portion Wut gesellt: »Hören Sie, Stein, ich habe Alternativen, so ist es nicht. Sie können hier nicht einfach reinmarschieren und mit Ihren Kontakten meine Karriere zerstören. Ich bin nicht irgendein mittelmäßiger Anwalt aus der Provinz, den Sie so mir nichts dir nichts fertigmachen können, glauben Sie mir.«
»Falls Sie sich der irrigen Annahme in die Hände werfen, dass Sie das Angebot von George Forrester annehmen könnten, in seiner wirklich angesehenen Kanzlei als Partner einzusteigen, muss ich Sie enttäuschen.«
Stuart starrte ihn an. Stein hob abwehrend die Hände: »Schauen Sie mich nicht so an, Jeremy.« Stein duzte ihn, was äußerst selten vorkam. Pia notierte sich »kurz, bevor sie aufgeben, zum Du wechseln« in ihr kleines schwarzes Notizbuch, das für Steins hintersinnige Taktiken reserviert war. Sie warf einen Blick auf Klara. Obwohl ihr Gesicht vor der tief stehenden Sonne im Dunklen lag, meinte Pia ein feines Lächeln um ihre Mundwinkel beobachtet zu haben.
Der Anwalt von Truthleaks saß nun eingesunken auf seinem Stuhl. Er war fertig, resümierte Pia. Zeit, dass Stein ihm den Gnadenstoß versetzt.
»Es sei denn natürlich, Sie überdenken Ihre Haltung, was die Server von Truthleaks angeht.«
Jeremy Stuart blieb stumm.
»Kommen Sie schon, Jeremy. Es ist ein kleiner Gefallen im Vergleich zu dem, was für Sie auf dem Spiel steht. Ihre Karriere, die Raten für das Haus, Ihre Frau.«
Jeremy Stuart stand auf. Die rote Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. Er wirkte wie ein anderer Mann, der jetzt vor ihnen stand. Mit überraschend fester Stimme sagte er zu Thibault: »Sie haben keine Ahnung, was auf dem Spiel steht, Mr. Stein. Wenn Sie glauben, mich mit Ihren Schurkenmethoden kleinzukriegen, haben Sie sich den Falschen ausgesucht. Guten Tag, Mr. Stein.«
Er hielt ihm sogar zum Abschied die Hand hin. Stein nahm sie, ohne mit der Wimper zu zucken, an: »Auf Wiedersehen, Mr. Stuart. Sie hören von mir.«
»Kommen Sie, Miss Lindt, wir gehen. Miss Swell?« Sie verließen die Büros von Truthleaks auf direktem Weg, der Anwalt geleitete sie wortlos zum Fahrstuhl und drückte die Taste für das Erdgeschoss, bevor er die Kabine wieder verließ. Er hatte sicher einige Telefongespräche zu führen, schätzte Pia. Sie bewunderte ihn dafür, dass er trotz des massiven Drucks von Stein nicht eingeknickt war. Und ein wenig verurteilte sie Steins Methoden. Er hatte zwar schon immer mit harten Bandagen gekämpft, aber bisher immer fair, soweit Pia das beurteilen konnte. Was er heute mit Jeremy Stuart angestellt hatte, war nicht nur unfair, sondern äußerst hinterhältig. Als sich die Aufzugstüren schlossen, warf Pia dem Anwalt einen Blick zu. Er sah traurig aus, traurig und müde. Aber in Pias Augen hatte er gewonnen.
»Das ist doch ganz gut gelaufen, oder nicht?«, urteilte Stein fröhlich, als sie wieder in Klaras Mercedes saßen. »Und wenn Sie wieder derart rasen, verklage ich Sie wegen gefährlicher Körperverletzung an einem Schwerbehinderten und seiner attraktiven Assistentin, und glauben Sie mir, Miss Swell, ich bekomme die Höchststrafe für Sie.«
Klara schien ihm tatsächlich zu glauben, oder sie zog zumindest in Erwägung, dass Stein verrückt geworden war, was ihr Pia nach seinem heutigen Auftritt nicht verübeln konnte. Sie konnte es selbst kaum fassen, dass ihr Chef fröhlich im Auto saß, keine fünfhundert Meter von einem Mann entfernt, dessen Leben er soeben zerstört hatte. Zumal es ja nun wirklich alles andere als gut gelaufen war. Ein zerstörtes Leben und keine einzige Antwort. Von der Truthleaks-Quelle waren sie noch genauso weit entfernt wie heute Morgen. Vielleicht sollte sie
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