Judaswiege: Thriller
Autofahrerin wie Ihnen, Miss Swell, würde ich nicht einmal meine Katze anvertrauen«, sagte der alte Mann lachend. »Und ich habe nicht einmal eine Katze. Lassen Sie uns gehen, wir werden sicher schon erwartet.«
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Während sich Klara und der Anwalt im malerischen Battery Park hitzige Wortgefechte lieferten, stand Sam Burke mitten im großen Mist. Nachdem ihm Truthleaks die Journaille auf den Hals gehetzt hatte, selbstverständlich ohne ihre Quellen preiszugeben, konnten er und Bennet die Folgen ausbaden. Nach einem kurzen Flug standen sie in Baton Rouge, Louisiana, einem verdammten Sumpf von Land mit mehr Fliegen als Grashalmen, und schwitzten. Er verließ den Laden mit einer übergroßen Tüte und hoffte, dass der Inhalt nicht geschmolzen wäre, bis Bennet endlich mit Tanken fertig war. Während sein Partner bezahlte, wünschte er sich nichts sehnlicher als ein großes kühles Bier bei Sam. Nun gut, vielleicht wünschte er sich noch ein wenig mehr: nicht zu den bedauernswerten Eltern fahren zu müssen.
Das Material des vierten Gopher-Tapes hatte eine neue Qualität und zeigte ein viertes Mädchen, deren Qualen nun in allen Nachrichtensendungen über die Bildschirme im ganzen Land flimmerten. Er würde den Eltern erklären, dass sie vielleicht noch lebte. Er würde den Eltern erklären, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun würden, um ihr Kind zu ihnen zurückzubringen. Und wenn sie ihn fragten, seit wann er von den Aufnahmen wusste? Dann würde er lügen. Denn die Bilderkennungssoftware von Wesley hatte ihnen bereits einen halben Tag vor Veröffentlichung der Gopher-Tapes ihren Namen ausgespuckt. Und das bedeutete, dass Michael Paris und seine Geierstaffel bereits seit gestern Nachmittag über Louisiana kreisten, um Tina zu finden. Aber das würde er ihnen nicht sagen. Er würde behaupten, die Gopher-Tapes wären der erste wirkliche Beweis für einen Serientäter. Nicht -mörder, sondern -täter, das war wichtig. Wobei die Familie das, wie auch alle Einzelheiten der Tapes, bereits aus den Nachrichten wusste.
Eine Psychologin von der örtlichen Dienststelle in Baton Rouge war bereits seit heute Morgen bei den Eltern und half, so gut sie konnte, aber nach dem, was sie Sam am Telefon gesagt hatte, brachte es nicht allzu viel. Sam konnte es weder ihr noch den Eltern verdenken. Manchmal war sein Job einfach beschissen.
»Willst du einen?«, fragte er Bennet kauend, als sie wieder im Auto saßen, und hielt ihm die Tüte mit den Donuts hin. Bennet winkte ab: »Hör doch mal auf, dieses süße Zeug in dich reinzustopfen, das macht mich ganz nervös. Schon mal etwas von einem Zuckerschock gehört?«
Sam schüttelte den Kopf: »Quatsch nicht rum. Wieso haben wir kein Navigationsgerät?«
»Haben wir doch«, verkündete Bennet und warf ihm eine Karte genau auf einen wunderschönen Schokoladendonut, den er gerade aus der Tüte gefischt hatte.
»Hey«, monierte Sam. Er warf die Karte in den Fußraum, griff zum Telefon und wählte die Nummer ihres Büros beim FBI: »Hallo Anne, such uns doch bitte mal die Route zu diesen Michalskys raus, ja? … Danke, ich warte.« Hämisch zu Bennet hinübergrinsend, biss er in den Donut, dessen geschmolzener Schokoladenüberzug an seinen Mundwinkeln hinuntertropfte.
Eine knappe Stunde später bogen sie in die Einfahrt des kleinen, freudlosen Einfamilienhauses der Michalskys. Kein Hund bellte, und eine ausgefranste Amerikaflagge wehte über dem Giebel. Kein Hund war gut, dachte Sam und wischte seine klebrigen Finger an der Mittelarmlehne ab.
»Hast du was zu trinken besorgt?«, fragte er Bennet, der ihm eine halbvolle Flasche Wasser reichte. Sam beäugte das Getränk skeptisch, aber der Durst gewann die Oberhand, und er spülte die trockenen Reste seines gehaltvollen Mittagessens mit einem großen Schluck lauwarmer Brühe hinunter: »Bringen wir es hinter uns«, schlug Sam vor und öffnete unter lautem Stöhnen die Wagentür. Es kam ihm noch heißer vor als an der Tankstelle. Und hier waren außerdem mindestens doppelt so viele Mücken.
Er überließ es Bennet zu klingeln. Der leise Ton war im Inneren des Hauses kaum zu hören. Eine Frau mittleren Alters in einem braunen Leinenkleid öffnete die Tür.
»Mrs. Michalsky?«, fragte Sam mit seinem verständnisvollsten Blick, obwohl er wusste, dass niemand verstand, was die Familien von Gewaltopfern durchmachten, am allerwenigsten die Ermittler.
»Nein«, sagte die Frau im Leinenkleid, »ich bin die Psychologin vom Bureau
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