Judaswiege: Thriller
Handy einen privaten Anschluss in Quantico.
»Bist du sicher, dass du das machen willst?«, fragte sie ohne Begrüßung.
»Klar bin ich sicher, das haben wir doch alles schon diskutiert. Bist du drin?«, fragte Wesley, der beste Computerspezialist, den sie kannte.
»Sehr witzig. Du gehst ein hohes Risiko ein, das weißt du, ja?«
»Ruf mich an, wenn du einen Computer siehst«, forderte der Kollege. Junge, für dein Alter hast du Schneid. Du gefällst mir, dachte Klara bei sich und überprüfte mit einem kritischen Blick ihr Äußeres: Die blonde Perücke saß perfekt, und der auffällige rote Lippenstift wirkte ein wenig ordinär. Gut so, entschied Klara. Normalerweise bevorzugte sie es, mit ihrer Umgebung zu verschmelzen, wozu des Nachts die Anzüge und tagsüber eher unauffällige Klamotten und dunkel geschminkte Augenringe, mit denen niemand gern flirtete, geeignet waren. Zumindest galt das für Observationen, heute jedoch war es ihr bedeutend lieber, dass sich die Angestellten in dem Hotel, in das sie heute Nachmittag eingecheckt hatte, an jemanden erinnerten, der rein gar nichts mehr mit der echten Klara Swell zu tun hatte – auch wenn das bedeutete, rumzulaufen wie ein brunftiger Truthahn.
Nach einem letzten Blick, ob sie auch niemand beobachtete, öffnete sie die Wagentür und trat auf die dunkle Gasse. Sie schulterte eine troddelbehangene Handtasche, die zu ihrer Verkleidung gehörte, und lief, so schnell es ihre hohen Schuhe zuließen, in die Richtung des belebteren New York Plaza. Obwohl dieser Teil New Yorks mit der Börse und den vielen Investment-Banken einer der geschäftigsten war, lag er nachts beinahe verlassen an der Südspitze der Insel. Nur vereinzelte Fußgänger trugen Zeitungen aus oder deckten sich bei dem einzigen geöffneten Imbiss mit Proviant für die Nacht ein.
Klara winkte nach einem Taxi, von denen es zum Glück auch hier reichlich gab, was hauptsächlich an dem nahegelegenen Halt des Expresszugs nach New Jersey lag, zu dem die Nachtschwärmer mit dem Taxi fuhren, um die teure Fahrt durch den Tunnel zu sparen. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie einen freien Wagen ergattert hatte. Als sie dem Fahrer die Adresse nannte, zeigte er ihr einen Vogel und wollte sie vor die Tür setzen, was Klara mit dem Winken eines Zwanzig-Dollar-Scheins zu verhindern wusste. Wenige Augenblicke später hielt ihr Taxi vor einem Hotel, das schon deutlich bessere Zeiten gesehen hatte.
Niemand öffnete den Schlag, und kein Portier hielt ihr die Tür auf, als sie die kleine Lobby betrat und direkt auf den Fahrstuhl zusteuerte. Ihren Zimmerschlüssel sowie ihr »Gepäck« hatte sie schon am frühen Abend abgeliefert, jetzt war sie eine Frau nach einem misslungenen Abendessen mit einem Blind Date aus dem Internet, das wieder einmal nicht geklappt hatte. In der Lobby war niemand, der Mitleid mit ihr hätte haben können, der Nachtwächter schaute vermutlich auf dem Rechner der Rezeption nackte Mädchen im Internet an.
Als Klara die kleine Kabine des Aufzugs betrat, ertappte sie sich dabei, wie sie kurz darüber nachdachte, ob er die Bilder ihres Falles anschaute und sich an den Schmerzen der Frauen aufgeilte. Jessica oder Theresa. Klara verbot sich jeden weiteren Gedanken über die sexuellen Vorlieben des Nachtportiers und drückte den Knopf für das vierzehnte Stockwerk.
Der Teppich auf den Gängen war noch abgeranzter als der in der Lobby, stellte Klara fest, als sie die Tür zu ihrem Zimmer aufschloss. Im Inneren roch es nach Chemikalien und Mottenspray. Ohne zu zögern, entledigte sich Klara der Perücke und der restlichen Klamotten und packte alles in eine große FedEx-Versandbox. Nur in einen Bademantel gehüllt, trug sie das Paket ein kurzes Stück über den Flur und schloss eine weitere Zimmertür auf. Sie hatte das Zimmer unter einem zweiten Namen mit anderer Kreditkarte gemietet und im Voraus bezahlt, das Paket und den Zimmerschlüssel legte sie auf den Schreibtisch. Auf einem Prepaid-Handy wählte sie die Nummer des Nachtportiers, der widerwillig antwortete.
»Smith hier«, herrschte sie in möglichst arrogantem Tonfall. »Hören Sie, ich habe 1407 und musste leider ganz dringend nach Chicago … Nein, natürlich zahle ich das Zimmer, hören Sie mir doch erst einmal zu: Der Schlüssel liegt auf dem Tisch neben einem Paket für FedEx, das holt ein Kurier nachher ab … Ja, legen Sie es einfach an die Lobby … Nein, Sie müssen wirklich niemand anrufen. Danke.«
Nachdem das erledigt war,
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