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Judaswiege: Thriller

Judaswiege: Thriller

Titel: Judaswiege: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Berkeley
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Schnaufen kam wieder näher, er stand jetzt auf dem Gang, aber er blickte nach links. In die falsche Richtung. Klara konnte ihn jetzt sogar ohne Taschenlampe deutlich erkennen. Er trug eine beige Uniform und schwitzte, obwohl es in dem Gebäude wirklich nicht warm war. Sie hatte keine Sekunde zu verlieren. Ohne dass man auch nur einen ihrer Schritte hören konnte, hastete Klara über den dunklen Gang. Jetzt dreht er sich gleich um. Sie war nur noch wenige Schritte von dem Konferenzraum entfernt. Jetzt drehte er sich um. Wenn er gute Augen hatte, würde er sie noch als entfernten Schatten erkennen können. Sie baute darauf, dass er keine guten Augen hatte. Aber Klara hatte kein Glück. Als sie die Tür zum Konferenzraum geschlossen hatte, war aus der Frage ein Befehl geworden. Er hatte sie entdeckt.
    »Halt, bleiben Sie stehen!« Er rannte jetzt in ihre Richtung. Und sie saß in der Falle. Jetzt gab es nur noch ihren Plan für den absoluten Notfall, das Einzige, was als Fluchtweg auf die Schnelle umzusetzen gewesen war, auch wenn es einen Beweis dafür liefern würde, dass jemand eingebrochen war. Sie mussten darauf bauen, dass der USB-Stick nicht gefunden wurde, was in einem Büro nicht unmöglich war, zumal Wesley versprochen hatte, dass sich das Programm von selber löschte, sobald es das Netzwerk infiziert hatte. Aber erst einmal musste sie hier raus. Hastig zog Klara einen Stuhl hinter die Tür in der Hoffnung, dass er ihn zumindest ein oder zwei Sekunden aufhalten würde. Dann zog sie ein langes Seil aus einer Tasche und befestigte es am Fuß des Konferenztisches genau an der Stelle, die sie sich heute Nachmittag eingeprägt hatte. Hoffentlich war der Schnitt tief genug, dachte sie noch, während sie Anlauf nahm und sich vor dem zweiten großen Fenster von links abstieß und eine halbe Drehung seitwärts vollführte. Sie prallte mit dem Rücken gegen das Fenster, das sich dank der Bearbeitung mit dem Diamantschneider am Mittag ohne große Gegenwehr aus dem Rahmen drücken ließ. Klara gab dem Seil mehr Spiel und landete mit den Füßen sicher an der Hauswand. Ohne Zeit zu verlieren, seilte sie sich ab und verschwand in der Nacht.

K APITEL 21
     
    September 2011
    Three Rivers, Louisiana
     
    Michael Paris, der Leiter der Geierstaffel, lehnte lässig an seinem großen Geländewagen und rauchte. Wie gerne hätte Sam sich jetzt auch eine angesteckt und dazu ein Bier bei Jay getrunken. Obwohl es bei Weitem nicht die erste Familie war, der er schlechte Nachrichten überbringen musste, war ihm die Reaktion von Tinas Eltern besonders nahegegangen. Oder besser: ihre Nicht-Reaktion. Sie hatten sich unterwürfig verhalten, eingeschüchtert von ihren Dienstmarken und ihrem einstudiert ruhigen Tonfall und der Nüchternheit, mit der sie verkündeten, dass ihre Tochter vermutlich Opfer eines Verbrechens geworden war. Es handelte sich um eine durchschnittliche Reaktion durchschnittlich intelligenter, durchschnittlich emotionaler Durchschnittsmenschen. Einer amerikanischen Familie wie sie amerikanischer kaum sein konnte. Sam fand es trotzdem die schlimmste aller Reaktionen, weil sie so banal war. Sie akzeptierten äußerlich das Unvermeidliche, aber sie sperrten ihren Schmerz vor ihm weg. Weil sie glaubten, dass sie es mussten. Ihm waren die Mütter, die um ihre Töchter weinten, sehr viel lieber, auch wenn das niemand verstand. Bennet fand es vorbildlich, wenn Eltern regierten wie die Michalskys. Sam hingegen hätte sich jetzt gerne eine Zigarette angesteckt, aber er wollte Michael Paris nicht um eine bitten.
    Sam mochte Michael Paris nicht, was in seiner jetzigen Situation durchaus unangemessen erscheinen durfte, denn er war der Einzige in seinem Team, der ihm echte Ergebnisse lieferte. Keine schönen Ergebnisse, aber immerhin Ergebnisse, Spuren, die sie auswerten konnten, zum Beispiel eine zweite Leiche, gerade heute Morgen. Tinas Leiche. Sie hatten es der Familie noch nicht gesagt, erst musste Sam sich Gewissheit verschaffen. Der rauchende Michael Paris hatte ihn hergebracht, das Zelt der Spurensicherung war direkt hinter dem schweren Geländewagen aufgebaut, und die grellen Scheinwerfer verliehen der Szene im Morgengrauen etwas Gespenstisches, wie ein hell erleuchteter Operationssaal unter freiem Himmel im Nirgendwo.
    Sam ging an Michael Paris vorbei und versuchte, die Rauchschwaden seiner Zigarette zu inhalieren. Er erwischte nur einen Anflug von Tabak, bei Weitem nicht genug, aber besser als nichts. In der Jackentasche

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