Judith
hatte Besitztümer in Irland, Wales und Schottland und, wie es hieß, sogar in Frankreich.
Lilian wußte nicht genau, wie reich er war, aber sie würde es bald erfahren. Edmunds Geist war so träge wie sein Körper, und es würde nicht lange dauern, bis sie ihn und auch seinen Besitz beherrschte. Sie würde ihn mit ein paar Hurenweibern bei Laune halten und ablenken.
Lilian hatte zwar eine Schwäche für den attraktiven Gavin, aber das hatte ihren kühl funktionierenden Verstand keinesfalls getrübt.
Wer war dieser Gavin Montgomery schon? Ein unwichtiger Baron, arm und ohne Einfluß. Ein großartiger Kämpfer, ein starker schöner Mann, aber er konnte ihr nicht den Luxus bieten, den Edmund ihr gewährleisten würde.
Wie würde ein Leben mit Gavin sein? Die Nächte versprachen ihr Leidenschaft und Ekstase, aber Lilian wußte, daß es keiner Frau gelingen konnte, Gavin zu beherrschen. Wenn sie seine Frau wurde, würde er erwarten, daß sie zurückgezogen lebte und Hausfrauenpflichten erfüllte. Er würde als Gemahl so fordernd und bedingungslos sein wie als Liebhaber.
Sie trieb ihr Pferd an. Sie wollte alles — Edmunds Besitz, seine gesellschaftliche Stellung und Gavins Leidenschaft. Lilian lächelte, als sie die goldene Brosche zurechtrückte, die ihren Umhang zusammenhielt. Gavin liebte sie. Davon war sie fest überzeugt. Und sie war schön genug, um diesen Mann zu halten.
Ein paar Tränen zur rechten Zeit… Gavin würde ihr dann glauben, daß sie gezwungen war, Edmund zum Gemahl zu nehmen. Gavin war ein Ehrenmann. Er würde begreifen, daß sie sich dem Willen ihres Vaters nicht widersetzen konnte.
Gavin stand reglos da und wartete. Da war nur ein leichtes Zucken in seinem Wangenmuskel.
Im Licht des Mondes wirkte sein Gesicht kantig und wie aus Stein. Seine Lippen waren fest zusammengepreßt. Seine grauen Augen waren dunkel, fast so schwarz wie sein Haar, das sich bis auf den Kragen seiner wollenen Jacke ringelte.
Nur durch seine strenge Erziehung als Ritter gelang es ihm, nach außen hin so beherrscht zu wirken. In ihm war jedoch alles in Aufruhr.
An diesem Morgen hatte er erfahren, daß die Frau, die er liebte, einen anderen heiraten wollte. Sie würde mit diesem anderen schlafen und seine Kinder gebären. In seinem ersten Zorn hatte Gavin zur Burg von Nicolas Valence reiten wollen, um sich von Lilian schwören zu lassen, daß alles ein Irrtum war. Doch sein Stolz hatte ihn zurückgehalten.
Dieses Treffen heute abend war schon vor Wochen verabredet worden. Deshalb zwang er sich zu warten, bis er sie wiedersah, sie wieder in den Armen hielt und von ihren süßen Lippen hörte, was er hören wollte. Sie würde keinen anderen zum Mann nehmen — nur ihn. Dessen war er sicher.
Gavin starrte in die Nacht und lauschte ungeduldig auf das Geräusch von Pferdehufen. Aber alles blieb still. Die Finsternis war schwarz und undurchdringlich.
Damals war es auch eine so finstere Nacht gewesen, als er und Lilian sich zum ersten Mal auf dieser Lichtung getroffen hatten.
Er war Lilian auf der Hochzeit einer ihrer Schwestern begegnet. Obwohl die Montgomerys und Valences Nachbarn waren, sahen sie sich selten. Lilians Vater war ein Trunkenbold, der sich kaum um seinen Besitz kümmerte. Er hatte genug zum Leben und zwang sein Weib und seine fünf Töchter, armseliger als mancher Bedienstete zu leben. Da sich seine Brüder geweigert hatten, dieser Hochzeit beizuwohnen, hatte Gavin die Pflicht übernommen.
Lilian war ihm wie ein Perle in diesem verkommenen und verlotterten Haushalt erschienen. Er hatte zuerst gar nicht glauben können, daß sie zu den fetten, häßlichen Töchtern Valences gehören sollte. Seine süße, unschuldige Lilian. Sie trug so hübsche Kleider, benahm sich so sittsam und anmutig, und ihre Schönheit…
Er hatte sie nur fassungslos anstarren können, wie es auch andere junge Männer getan hatten. Ihr blondes Haar, ihre blauen Augen und ihr kleiner Mund, auf dem er so gern ein Lächeln weckte. Noch ehe er ein einziges Wort mit ihr gesprochen hatte, war es um ihn geschehen gewesen.
Er hatte Mühe gehabt, durch all die Verehrer bis zu Lilian vorzudringen. Sein Ungestüm schien sie zu überraschen. Doch ihr gesenkter Blick und ihre sanfte Stimme hatten ihn nur noch mehr in Bann geschlagen. Sie war so scheu, so unschuldig gewesen — sie war für ihn alles, was er sich erhoffte: eine Frau, die mädchenhaft und doch leidenschaftlich war.
In jener Nacht hatte er sie gebeten, seine Frau zu werden. Nach
Weitere Kostenlose Bücher