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Judith

Judith

Titel: Judith Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Blick wieder zu Judith hin, die fassungslos seine Brutalität mit angesehen hatte. »Wie ist jetzt deine Antwort, Mädchen? Heiratest du oder nicht? «
    Judith nickte benommen. Dann lief sie zu ihrer bewußtlosen Mutter.

1. Kapitel
    Das Mondlicht warf bizarre Schattenbilder auf die Steinquader des alten Turms, der sich, drei Stockwerke hoch, über der niedrigen, zerbröckelnden Mauer erhob, die ihn umgab.
    Die Burg war nahezu zwei Jahrhunderte vor dieser feuchtkalten Aprilnacht des Jahres 1501 erbaut worden. Jetzt herrschte Frieden, und Verteidigungsbauten wurden nicht mehr gebraucht.
    Sein Urgroßvater hatte in dieser Burg gelebt, als man noch Verteidigungen nötig gehabt hatte, und so war Nicolas Valence zu dem Schluß gekommen, daß sie auch für ihn und weitere Generationen ausreichen würde.
    Ein massives Torhaus überragte die verfallenden Mauern und den alten Turm. Dort oben hockte ein einsamer Wachposten. Er schlief, neben sich einen halbgeleerten Krug Wein. Im unteren Stockwerk der Burg ruhten die Hunde und die müden Kriegsknechte. An den Wänden stapelten sich ihre Waffen, unbrauchbar, verrottete, rostige Haufen. Schmutzig und staubig wie die Eichenbohlen des Fußbodens.
    Das war der Besitz der Valences, eine armselige, unnütz gewordene Verteidigungsanlage, über die man in ganz England voller Spott und Hohn redete. Man behauptete grinsend, wenn die Burg so stark sei wie der Wein, den man dort trinke, könne Nicolas Valence gegen ganz England antreten. Aber niemand machte einen Angriff, denn es gab keinen Grund dafür.
    Vor vielen Jahren schon hatte Nicolas den größten Teil seines Landbesitzes an jüngere, eifrigere und mittellose Ritter abtreten müssen. Ihm war nur die halbverfallene Burg geblieben, ein bißchen Land und ein paar Bauerngehöfte, die ihn und seine Familie mehr schlecht als recht ernährten.
    Hinter dem Fenster ganz oben im Turm brannte Licht. Es schimmerte aus einem Raum, der kalt und feucht war. Auch im heißesten Sommer blieben die Mauern klamm, und das Moos, das zwischen den Ritzen wuchs, verdorrte nie. Spinnen und Käfer krochen über den Fußboden. Und doch enthielt dieses Zimmer das wertvollste dieser alten Burg.
    Lilian Valence saß vor ihrem Spiegel und war dabei, ihre hellen Wimpern mit schwarzer Paste zu färben, einem Schönheitsmittel, das ihr jemand aus Frankreich mitgebracht hatte.
    Sie lehnte sich zurück und betrachtete sich kritisch. Lilian konnte ihr Aussehen richtig einschätzen. Sie wußte, welche Vorzüge sie hatte und wie sie diese gut ausnutzen konnte.
    Sie war ohne Zweifel sehr hübsch, besonders der Mund und die schmale Nase. Ihre mandelförmigen, leuchtend blauen Augen waren ihre stärkste Waffe. Sie hatte blondes Haar, das sie immer mit Zitronensaft und Essig spülte. Ihre Magd Ela hatte sie so frisiert, daß die neue Haube aus Frankreich Lilians Gesicht anmutig umrahmte. Die Kopfbedeckung war aus schwerem Brokat und mit Samt unterlegt.
    Lilian zog die Lippen auseinander und musterte ihre Zähne.
    Sie waren ihr größter Makel, dunkel, unregelmäßig und faul. Lilian verstand es jedoch, sie weder beim Lächeln noch beim Sprechen zu zeigen. Sie sprach immer sehr leise und hielt den Kopf dabei gesenkt. Dieses Verhalten war für sie sogar von Vorteil, denn es gefiel den Männern. Es ließ sie glauben, daß sie schüchtern und sich ihrer Schönheit gar nicht bewußt war. Und jeder hatte den Wunsch, diesem scheuen Reh die Freuden des Lebens beizubringen.
    Lilian erhob sich und strich ihr Kleid über dem schlanken Leib glatt. Sie hatte nur kleine Brüste und sehr schmale Hüften. Doch sie gefiel sich so, weil sie dadurch im Vergleich zu anderen Frauen jung und unberührt wirkte.
    Ihre Kleidung nahm sich in dem kargen Raum ungewöhnlich üppig aus. Lilian trug ein Hemd aus feinstem Leinen, das fast durchsichtig war, darüber ein reichgefälteltes Kleid aus demselben schweren Brokat wie die Haube. Es hatte einen tiefen, viereckigen Ausschnitt und schmiegte sich eng an ihren Oberkörper. Der blaue Brokat war mit weißem Kaninchenfell verziert. Um die Taille hatte Lilian einen Gürtel aus blauem Leder geschlungen, der mit großen Granaten, Smaragden und Rubinen besetzt war.
    Lilian löste den Blick noch immer nicht von ihrem Spiegelbild, als Ela ihr den mit Kaninchenfell gefütterten Umhang um die Schultern legte.
    »Herrin, Ihr könnt nicht zu ihm gehen. Nicht, wenn Ihr… « Ela sprach schnell und gehetzt.
    »Weil ich einen anderen heiraten werde? « fragte Lilian

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