Judith
das alles zerstört. Mein Vater kennt mich kaum noch, Gavin haßt mich und mein Gatte ist tot. Alles deinetwegen! «
Sie stellte den Topf mit Öl auf das Kohlefeuer. »Es muß heiß sein, sehr heiß… «
Judith wußte, daß es sinnlos war, mit dieser Frau zu reden, die nicht mehr Herrin ihrer Sinne war. Trotzdem versuchte sie es. »Das bringt Euch Euren Gatten nicht zurück. Und Euren Vater habe ich noch nie gesehen. «
»Meinst du, ich will meinen Gatten zurück? Er war ein Schwein! Meine Ehe war die Hölle! Durch dich kam er erst auf die Idee, daß ich nichts tauge. «
Judith konnte kein Wort hervorbringen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das heiße Öl.
»Herr, Ihr müßt mitkommen! « sagte Ela nervös. »Ich bin in größter Sorge. «
»Was willst du, Alte? « knurrte Gavin.
»Meine Herrin. Ich habe Angst um sie. «
»Deine Herrin kümmert mich nicht! « Gavin packte sie grob am Arm. »Ich will wissen, wo ihr meine Frau versteckt! «
»Ich wollte ihr nichts tun«, flüsterte Ela zitternd. »Ich wollte nur, daß meine Herrin Euch zurückbekommt. Sie wünschte sich das so sehr. Und ich habe immer alles für sie getan. Ihr jeden Wunsch erfüllt. Nun hab ich Angst. Sie soll Lady Judith nichts antun. «
»Wo ist sie? « Gavins Griff wurde härter.
»Sie hat die Tür verschlossen und… «
»Führ mich hin! « befahl Gavin. Alan und er folgten Ela über den Hof zum Turm.
Lilian fuhr zusammen, als es ungeduldig an der Tür klopfte. Sie wußte, daß der Riegel nicht lange halten würde. Sie packte ein langes scharfes Messer und hielt es Judith an die Kehle, während sie die Stricke löste.
»Komm! « befahl sie und griff das heiße Öl. Judith verhielt sich ruhig, denn sie spürte, daß Lilian zu allem entschlossen war.
»Hier rauf! « knurrte Lilian und trieb sie zu einer schmalen Treppe, die auf die Turmzinne führte. Sie hielt Judith umklammert und drückte ihr das Messer an den Hals.
Sekunden später hatten Gavin und Alan die Tür aufgebrochen. Als sie die leere Kammer sahen, waren sie vor Schreck wie erstarrt. Dann folgten sie Ela, die zu der schmalen Treppe rannte.
»Lady Lilian… «, wimmerte die Magd, als sie ihre Herrin fand.
»Halt’s Maul! « fauchte Lilian und umklammerte Judith. »Du hast gesagt, daß du ihn mir zurückholst. Aber er haßt mich. «
»Nein. « Ela machte einen Schritt auf sie zu. »Das tut Lord Gavin nicht. Er will seine Frau beschützen, weil sie sein eigen ist. Aus keinem anderen Grund. Kommt, laßt uns reden. Lord Gavin wird verstehen, warum dies alles passieren mußte. «
»Nein! « fauchte Lilian. »Sieh ihn dir doch an. Er ekelt sich vor mir. Er betrachtet mich wie eine Aussätzige! Und das alles wegen dieser rothaarigen Schlampe! «
»Laß sie los! « rief Gavin.
»Nein! « schrie Lilian. Sie drückte Judith gegen eine der Zinnen und stieß sie dann näher an den Abgrund.
Judith war totenbleich. Sie geriet in Panik.
»Tu, was sie sagt! « riet ihr Gavin, der erkannte, daß Lilian wie von Sinnen war.
Judith nickte und trat dicht an den Rand. Neben ihr war ein Schornstein. Sie klammerte sich daran fest.
Lilian lachte schrill. »Sie hat Angst wie ein kleines Kind! Und diese Hexe ziehst du mir vor? Ich bin eine echte Frau. «
Ela legte ihre Hand auf Gavins Arm, als er sich auf Lilian stürzen wollte. »Ja, das seid Ihr, Herrin«, sagte sie ganz ergeben. »Wenn Ihr herunterkommt, wird auch Lord Gavin das erkennen. «
»Willst du mich mit einem Trick täuschen? « schrie Lilian.
»Nein. Habe ich das jemals getan? «
Lilian lächelte die alte Frau an. »Du bist der einzige Mensch, der immer gut zu mir war. «
Sie beugte sich vor. Da geriet sie ins Wanken. Ela warf sich ihr entgegen. Sie riß Lilian aus der Gefahr, aber im nächsten Moment stürzte die Magd in die Tiefe. Lilian fiel nach hinten und schüttete sich dabei das heiße Öl über Stirn und Wange. Ein gellender Schrei war zu hören.
Gavin machte einen Satz auf Judith zu, die sich verzweifelt an den Schornstein klammerte: Mühsam mußte Gavin ihre Finger von dem Stein lösen. Er hielt sie fest in seinen Armen, und er konnte hören, wie ihr Herz vor Angst raste.
Lilian schrie und schrie. »Was habt ihr mir angetan! « wimmerte sie. »Meine Ela! Ihr habt sie getötet! Meine einzige… «
Gavin unterbrach sie grob. »Daran ist niemand schuld. Nur du selbst! « erklärte er. Er hob Judith auf seine Arme und wandte sich dann zu Alan um.
»Kümmert Euch um sie. Sie soll sich nicht selbst
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