Judith McNaught
und schüttelte verweisend
den Kopf.
Leider zog diese Bewegung Charity
Thorntons Aufmerksamkeit auf etwas, das sie vorher übersehen hatte. »Aber Ihre
Haare waren doch hochgesteckt, als wir bei Almack's wegfuhren!« rief sie
besorgt aus. »Haben sich die Haarnadeln gelöst, meine Liebe? Ich werde noch
heute nacht ein ernstes Wort mit meiner Zofe reden wegen ihrer schludrigen
Arbeit.«
Sherry hatte das Gefühl, als höre
die ganze Gruppe nur noch den aufschlußreichen Kommentaren der Frau zu, deren
Aufgabe es doch eigentlich darstellte, den Ruf zu schützen, den sie gerade
zerstörte. Der Duke of Claymore schenkte Sherry ein verschworenes, wissendes
Lächeln, das dem Stephens so ähnlich war, daß sie ganz vergaß, sich von ihm eingeschüchtert
zu fühlen, und statt dessen als Antwort die Augen verdrehte. Er brach in
Lachen über ihre Unverfrorenheit aus und stellte sie den beiden Paaren vor, die
ihm am nächsten standen – dem Duke und der Duchess of Hawthorne und dem
Marquess und der Marchioness of Wakefield.
Beide Paare begrüßten sie mit
solcher Wärme und Herzlichkeit, daß sie sie augenblicklich mochte. »Ich nehme
an, Sie waren die Attraktion, die Stephen zu Almack's lockte?« fragte der Duke
of Hawthorne, und seine Frau fügte lächelnd hinzu: »Wir waren alle ganz
gespannt darauf, endlich einen Blick auf Sie werfen zu können. Und jetzt, wo
wir Sie kennengelernt haben«, erklärte sie, wobei sie die Wakefields ansah
und sie so in ihre schmeichelhafte Bemerkung mit einbezog, »wundert es mich
überhaupt nicht mehr, daß er wie ein Wilder aus dem Strathmore stürmte, als er
merkte, daß das Almack's gleich die Türen schließen würde.«
Miss Charity schenkte diesem
Gespräch keine Aufmerksamkeit, sondern konzentrierte sich auf ein halbes
Dutzend junger Männer aus dem Almack's, die sich entschlossen ihren Weg durch
den überfüllten Ballsaal bahnten. Das war auch Stephen nicht entgangen.
»Langford, gehen Sie bitte zur Seite!« wandte sie sich an ihn. »Diese jungen
Männer kommen direkt auf Sherry zu, und Sie vertreiben sie, wenn Sie beabsichtigen,
hier stehenzubleiben mit diesem – mit diesem höchst ablehnenden Ausdruck auf
ihrem Gesicht!«
»Ja, Stephen«, neckte ihn Whitney
und hängte sich fröhlich bei ihm ein. Ihr Lächeln verriet ihm, daß Clayton ihr
schon gesagt hatte, daß eine Hochzeit unmittelbar bevorstand. »Kannst du dich
nicht dazu überwinden, etwas freundlicher dreinzuschauen, wenn einige von
Londons begehrenswertesten Junggesellen Sherry umringen?«
»Nein«, erwiderte er knapp.
Kurzfristig löste er das Problem, indem er Sherrys Arm ergriff und sie ihrem
Gastgeber vorstellte.
Marcus Rutherford war ein großer,
imposanter Mann mit einem herzlichen Lächeln, dessen entspannte Freundlichkeit
und unerschütterliches Selbstvertrauen seinem privilegier ten Lebensstil und
einem so illustren Stammbaum, wie ihn nur wenige vorweisen konnten, entsprang.
Sherry mochte ihn sofort und bedauerte, daß sie sich wieder umdrehen und die
Herren vom Almack's in Empfang nehmen mußte, die sich vor ihr aufgebaut hatten,
um mit ihr zu reden und sie zum Tanzen aufzufordern.
»Du hast ziemlich viele
Konkurrenten, Stephen, und das ist auch kein Wunder«, bemerkte Rutherford, als
Makepeace Sherry mit sich auf die Tanzfläche zog. Miss Charity winkte ihnen
geziert hinterher und strahlte dem Paar zustimmend zu.
»Und zudem«, schmunzelte Clayton und
beobachtete Charity Thorntons befriedigten Gesichtsausdruck, während sie dem
Paar auf der Tanzfläche zusah, »hat das Objekt deiner Aufmerksamkeiten eine
Anstandsdame, die nicht gerade vor Freude überwältigt zu sein scheint, dich in
der Nähe zu haben.«
Stephen hörte zwar zu, aber in
seinem Kopf formte sich eine Idee, die ihm hervorragend gefiel, eine Idee, die
jeden Schaden, den Sherrys Anstandsdame ihrem Ruf zugefügt haben könnte, sofort
ungeschehen machen würde.
»Man sagt, Nicki DuVille fände sie
ganz außergewöhnlich«, kommentierte Rutherford und hob sein Champagnerglas an
die Lippen. »Jedenfalls so sehr, daß auch er zu Almack's gegangen ist. Es
heißt, ihr beide habt nebeneinander an der gleichen Säule gestanden, als ihr
nicht nahe genug an die junge Dame herankommen konntet wegen ihrer anderen
Verehrer. Das muß ein Anblick gewesen sein«, fuhr Rutherford mit vor Erheiterung
zuckenden Schultern fort. »Du und DuVille im Almack's, und das am gleichen
Abend. Zwei Wölfe in einem Saal voller Lämmer. Wo ist Nicki übrigens?«
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