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Judith McNaught

Judith McNaught

Titel: Judith McNaught Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Legenden der Liebe
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hatte, kam sie sich
äußerst albern vor, weil sie so empfänglich für eine von ihm wahrscheinlich nur
als beiläufig empfundene Berührung gewesen war. Teils aus Neugier und teils aus
Übermut wagte Sherry ein Experiment. Während er mit seinem Bruder plauderte,
fuhr sie mit ihrem Daumen über Stephen Fingerknöchel, wobei sie sich darauf
weit mehr konzentrierte als auf das Gespräch. Es hatte keine erkennbare Wirkung
auf ihn. Er öffnete jedoch seine Hand, und eine Sekunde lang glaubte Sherry, er
würde sie wegziehen. Da er sie aber mit der Handfläche nach oben liegenließ,
senkte sie den Blick und fuhr gedankenverloren jeden einzelnen langen Finger
von der Spitze bis zur Wurzel nach, während er weiter ganz vertieft in das
Gespräch mit seinem Bruder war. Sherry berührte seine Handfläche und zeichnete
mit der Fingerspitze jede einzelne Linie nach. Ich liebe dich, dachte
sie hilflos und sagte es ihm mit ihrer Fingerspitze. Bitte liebe mich auch. Manchmal,
wenn er sie küßte oder sie anlächelte, fühlte sie sich seiner Liebe fast
sicher, aber sie wollte die Worte hören, mußte sie hören. Ich liebe dich, sagte
sie ihm, während sie mit der Fingerspitze über seine Handfläche fuhr.
    Stephen gab es auf, so zu tun, als
führte er eine intelligente Unterhaltung, und warf einen Blick auf ihren
gesenkten Kopf. Er saß mitten in der lärmenden Öffentlichkeit und war erregt,
als habe er ein stundenlanges Vorspiel hinter sich, statt mit einer
unerfahrenen Jungfrau nur Händchen zu halten. Sein Herz klopfte in schweren,
unregelmäßigen Schlägen, weil er sich die Erlösung verbot und so seine Lust
steigerte, und doch hielt er sie nicht davon ab, weiterzumachen. Statt dessen
öffnete er seine Hand nur noch mehr, spreizte seine Finger und unterwarf sich
bewußt seiner eigenen Folterung.
    Er konnte nicht glauben, was sie mit
ihm machte, und das Wissen, daß sie ihn berühren wollte, bereitete ihm
fast genauso viel Lust wie ihr Streicheln.
    In der glitzernden, kultivierten
Welt, in der er lebte, waren die Rollen klar verteilt: Die Ehefrauen zogen
einen Erben groß, die Ehemänner stellten eine gesellschaftliche und finanzielle
Notwendigkeit dar; Geliebte gaben und empfingen Leidenschaft. Paare, die
nichts gemein hatten mit ihren eigenen Gatten, hatten Affären mit den Gatten
anderer Leute. Stephen fielen vielleicht zwanzig Paare ein unter den Tausenden,
die er kannte, die mehr als nur milde Zuneigung füreinander empfanden. Aber er
kannte auch Hunderte von Paaren, die überhaupt nichts füreinander übrig hatten.
Die Frauen sehnten sich nicht nach der Berührung ihres Ehemannes, und sie
trugen auch nicht freiwillig dazu bei, daß sich ihr Mann nach ihnen sehnte.
Aber genau das tat Sherry im Augenblick.
    Unter gesenkten Lidern betrachtete
er ihr Profil, während sie zart etwas auf seine empfindliche Handfläche
zeichnete. Dann fuhr sie die selben Linien noch einmal entlang. Als sie es zum
dritten Mal tat, versuchte er, sich von der Lust, die aus den Nervenenden in
seiner offenen Handfläche durch seinen Körper floß, abzulenken und sich auf
das zu konzentrieren, was sie tat. Mit ihrer Fingerspitze zeichnete sie einen
offenen Kreis auf seine Handfläche und dann zwei gerade Linien daneben:
    CL
    Ihre Initialen.
    Stephen zog zitternd die Luft ein
und hob seinen Blick wieder zu ihrem Profil. In Gedanken zog er sie in eine
dunkle Ecke und bedeckte diesen weichen Mund mit seinen ...
    Im Geiste küßte er gerade ihre
Brüste, als eine Unruhe im Publikum den Beginn der Oper ankündigte. Er wußte
nicht sicher, ob er erleichtert war oder es bedauerte, sie erregt zu haben,
aber erregt schien sie auf jeden Fall.
    Sherry beugte sich erwartungsvoll
vor, als unter einem Bogen, auf den Frauen mit Lorbeerbüscheln und Trompeten
gemalt waren, die roten Samtvorhänge hochgingen. Und dann begann das Orchester
zu spielen, und sie vergaß alles um sich herum.
    Auf dem Heimweg hielt Stephen ihre Hand. Er
kam sich ein wenig albern vor, weil ihm diese einfache Berührung ein so
jungenhaftes Vergnügen bereitete. »Ich nehme an, die Vorstellung hat Ihnen
gefallen«, sagte er, als er neben ihr im Mondlicht die Treppe zur Eingangstür
seines Hauses hochging.
    »Es hat mir sehr gefallen«,
erwiderte sie mit glänzenden Augen. »Ich glaube, ich habe die Oper erkannt.
Nicht den Text, aber die Musik.«
    Dieser guten Nachricht folgte eine
weitere: Als Colfax Sherry aus ihrem leichten Umhang half, teilte er ihnen
unaufgefordert mit, daß sich Stephens

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