Judith McNaught
aus dem Sinn gehen würden, starrte Stephen auf ihren wirklichen Namen,
einen starken, wunderschönen – einzigartigen – Namen.
Und er dachte, daß Sheridan viel
besser zu ihr paßte als Charise.
»Die Frau, die auf dich wartet,
sagt, du seist hereingelegt worden. Absichtlich.«
Stephen Hand schloß sich um den
Brief. Er knüllte ihn zu einem Ball zusammen und warf ihn auf den Tisch. »Wo
ist sie?« knurrte er.
»Sie wartet
in deinem Arbeittzimmer auf dich.«
Mit einem Gesichtsausdruck, der
ebenso mörderisch war wie seine Gefühle, stolzierte Stephen aus dem Zimmer, entschlossen
zu beweisen, daß es sich bei dieser Charise Lancaster um eine Lügnerin oder
eine Betrügerin handelte, oder daß sie sich zumindest irrte, wenn sie annahm,
Sherry habe ihn absichtlich hereingelegt.
Aber es war eine schmerzliche,
unwiderlegbare Tatsache, die er weder ignorieren noch abstreiten konnte, daß
sie vor ihm davongelaufen war statt ihm gegenüberzutreten und ihm alles zu
erklären. Und das sah unerträglich nach Schuldbewußtsein aus ...
Vierzigstes Kapitel
Während er rasch zu seinem Arbeitszimmer
ging, redete Stephen sich ein, daß Sherry in ein oder zwei Stunden wieder
zurückkommen würde. Sie war in ihrer Erregung und Hysterie – weggelaufen.
Whitticomb hatte gesagt, Gedächtnisverlust sei eine Form von Hysterie.
Vielleicht wurde man auch hysterisch, wenn man das Gedächtnis wiedererlangte.
Während er zu seinem Arbeitszimmer
ging, stellte er sich vor, wie sie alleine und verwirrt durch die Straßen
Londons irrte. Mit einem knappen, eisigen Nicken begrüßte er die blonde Frau,
die auf ihn wartete, und setzte sich hinter seinen Schreibtisch mit der festen
Zielsetzung, die Behauptung, Sherry habe ihn absichtlich getäuscht, zu
widerlegen. »Setzen Sie sich«, befahl er barsch, »und lassen Sie hören, was
Sie zu sagen haben.«
»Oh, ich habe einiges zu sagen!«
brauste sie auf, und flüchtig empfand Stephen verwirrt die Ironie, daß diese
Charise Lancaster genauso aussah wie das blondlockige Püppchen, das er am
Schiff zu treffen erwartet hatte.
Charise spürte, daß er am liebsten
nichts von dem, was sie sagte, glauben wollte, und als sie sich vorstellte, daß
dieser gutaussehende, reiche Mann ihr irgendwie hätte gehören können, nahmen
ihre Wut und ihre Entschlossenheit ungeheure Ausmaße an. Eingeschüchtert von
seinem eisigen Ton überlegte sie noch, wie sie am besten anfangen sollte, als
er bereits zornig fortfuhr: »Sie haben eine ungeheure Beschuldigung gegen
jemanden vorgebracht, der nicht hier ist, um sich zu verteidigen. Nun, fangen
Sie an!«
»Oh, ich sehe schon, daß Sie mir
nicht glauben wollen«, brauste sie zornig auf. »Nun, ich wollte es zuerst auch
nicht glauben, als ich die Bekanntmachung in der Zeitung las. Sie hat Sie
reingelegt, wie sie jeden reingelegt hat.«
»Sie litt an Amnesie –
Gedächtnisverlust!«
»Nun, sie fand ihr Gedächtnis
schnell wieder, als ich auftauchte – wie erklären Sie sich das?«
Das konnte er nicht, und er wollte
ihr auch nicht seine Reaktion darauf und zu den übrigen Dingen, die sie sagte,
zeigen.
»Sie ist eine Lügnerin, eine
ehrgeizige Intrigantin, und das war sie schon immer! Auf dem Schiff erzählte
sie mir, sie beabsichtige, jemanden wie Sie zu heiraten, und das ist ihr ja
auch beinahe gelungen, oder? Zuerst versuchte sie, mir meinen Ehemann
abspenstig zu machen, und dann warf sie ihre Netze nach Ihnen aus.«
»Bevor sie zurückkommt und Ihnen ins
Gesicht antworten kann, werde ich das als Wutanfall einer eifersüchtigen Frau
ignorieren.«
»Eifersüchtig!« explodierte Charise
und sprang auf. »Wie können Sie es wagen, mir Eifersucht auf diese rothaarige Hexe
zu unterstellen! Und zu Ihrer Information, Mylord, sie ist weggelaufen, weil
alles herausgekommen ist. Sie wird niemals zurückkommen, verstehen Sie mich?
Sie hat damit zugegeben, daß sie Sie angelogen hat.« Stephen kam sich vor, als
läge ein Strick um seine Brust, der mit jedem Wort der blonden Frau enger
zusammengeschnürt wurde. Sie sagte die Wahrheit – man konnte es an ihrem
verächtlichen Gesichtsausdruck sehen, wie sehr sie Sheridan Bromleigh haßte
und wie sie ihn verhöhnte.
»Während der Reise hat sie auf mich
eingeredet, ich solle Burleton nicht heiraten, und mich statt dessen überredet,
mit Mr. Morrison durchzubrennen. Und wo ich jetzt darüber nachdenke, bin ich
überrascht, daß sie sich nicht mit meinem eigenen Bräutigam verlobt hat!«
Trotz seines eigenen
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