Judith McNaught
Tonfall. Dann
jedoch änderte sie ihre Absicht und beschloß, daß es wahrscheinlich besser
wäre, Fragen zu stellen, statt Informationen preiszugeben. So hätte sie die
beste Chance, aufrichtige Antworten zu bekommen. »Nein, Sie müssen mir etwas erklären«, stellte sie richtig.
Nicki bemerkte, daß sie ihre Worte
sorgfältig abwog und er machte sich klar, daß sie nicht aus einer Laune heraus
zu ihm gekommen war, ganz gleich, wie hysterisch sie war, weil man sie
getäuscht hatte. Ihr erster Satz bestätigte das und brachte ihn zugleich in
eine schwierige Situation.
»Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Sie
der einzige sind, für den es meiner Meinung nach nichts zu gewinnen gibt, wenn
... wenn er dieses Spiel fortführt ... diesen unglaublichen Betrug, den die
ganze Familie Westmoreland angezettelt hat.«
»Wäre es nicht besser, wenn Sie all
das mit Ihrem Verlobten besprächen?«
»Mein Verlobter!« Sie lachte nervös
auf und schüttelte den Kopf. »Arthur Burleton war mit Charise Lancaster
verlobt, nicht Stephen Westmoreland! Wenn ich noch eine weitere Lüge höre, dann
...«
»Sie sollten noch einen Brandy
trinken«, unterbrach Nicki sie und beugte sich vor.
»Ich brauche keinen Brandy!« schrie
Sherry. »Ich brauche Antworten, können Sie das nicht verstehen?« Da sie merkte, daß sie diese wahrscheinlich nicht
bekommen würde, wenn sie sich nicht vernünftiger aufführte, versuchte Sherry,
ihre Gefühle in den Griff zu bekommen und ihre Stimme zu mäßigen. Mit flehendem
Blick erklärte sie: »Ich bin zu Ihnen gekommen, weil es mir rückblickend so
vorkommt, als hätten Sie mit dieser ... dieser ungeheuerlichen Farce nichts zu
tun. Sie haben im Gegensatz zu den anderen den Earl nie als meinen Verlobten
bezeichnet. Bitte helfen Sie mir jetzt. Sagen Sie mir die Wahrheit. Die ganze
Wahrheit. Wenn nicht, fürchte ich, daß ich auf der Stelle verrückt werde.«
Nicki war entsetzt gewesen, als
Westmoreland vor zwei Tagen ihre Verlobung verkündet hatte, aber als Whitney
ihn vom Tod von Sherrys Vater unterrichtete, fand er zumindest die Absicht
weniger schlimm, die Heirat eilig zu betreiben, bevor sie ihr Gedächtnis
wiedererlangt hatte. Whitticomb hatte wiederholt jeden davor gewarnt, ihr etwas
zu erzählen, was sie aufregen könnte, nun jedoch war sich Nicki sicher, daß sie
die Wahrheit, und zwar die ganze Wahrheit, wissen mußte und wollte.
Froh darüber, daß der Arzt nicht
hier war, um diese Entscheidung mit einem entgegengesetzten Rat anzufechten, rang
sich Nicki zu der unangenehmen Aufgabe durch, für die Taten anderer Menschen
Rede und Antwort zu stehen, weil Charise Lancaster ihm, und nur ihm ganz
allein, vertraute.
»Bitte, helfen Sie mir«, bat sie in
stiller Verzweiflung. »Ich muß Ihnen auch etwas erklären, wenn Sie fertig sind
... schwierige, beschämende, peinliche Dinge, aber ich werde Ihnen die Wahrheit
nicht verschweigen. Ich hasse es, etwas vorzutäuschen.«
Nicki lehnte sich zurück, als stünde
ihm ein schwieriges Gespräch bevor, aber er wich ihrem Blick nicht aus, als er
sagte: »Ich werde aufrichtig sein, wenn Sie mir garantieren, daß es Ihnen gut
genug geht, um die Wahrheit zu hören.«
»Es geht
mir gut genug«, erwiderte sie nachdrücklich.
»Womit soll
ich beginnen?«
»Beginnen Sie«, lachte sie bitter
auf, »am Anfang. Beginnen Sie damit, warum er mich bis gestern in dem Glauben
gelassen hat, er sei Lord Burleton. Das letzte, woran ich mich erinnere, bevor
ich mit verbundenem Kopf im Haus des Earls erwachte, ist, daß ich ihm am Schiff
begegnete und er mir sagte, Lord Burleton sei tot.«
Nicki bemerkte, daß sie bei der
Erwähnung von Burletons Tod zwar ernst, aber nicht niedergeschlagen geklungen
hatte. Westmoreland hatte offenbar mit seiner Vermutung, sie habe Burleton
nicht gut genug gekannt, um eine tiefere Bindung zu ihm entwickeln zu können,
recht gehabt. »Burleton starb bei einem Kutschenunfall in der Nacht, bevor Ihr
Schiff ankam«, begann er freundlich, aber ohne Umschweife.
»Es tat mir leid, als ich von seinem
Tod erfuhr«, antwortete sie im gleichen Tonfall und bestätigte damit Nickis
Schlußfolgerung, sie verdiene es, die ganze Wahrheit zu hören, und sie könne
besser damit umgehen als mit Verwirrung und Täuschung. »Aber ich verstehe
nicht, was der Earl damit zu tun hat.«
»Langford fuhr die Kutsche«,
erwiderte Nicki lakonisch. Er sah, wie sie zusammenzuckte, aber
dankenswerterweise blieb sie erstaunlich ruhig, und so fügte er hinzu: »Es
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