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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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Er war da sehr bestimmt, und es ist nicht unbedingt meine Meinung. Evtl. wird ihm es also gar nicht gefallen, wenn ich auch nur eine Freundschaft mit einem Mädchen beginne. Aber soll ich darum meine Wünsche verdrängen? Ich glaube nicht, daß dies richtig wäre.
    ***
     
     
    Neue Adresse!!!
    (41) Duisburg-Hamborn,
    Goethestrasse No 3
    18.   2.   1969
     
    Haftanstalt
    Lieber Herr Moor!
    … Es ist komisch, ich habe immer ein sonderbares unbestimmtes Gefühl in der Magengegend, wenn ich in der Presse ein Foto einesder Kripo-Leute sehe, die mich damals in Düsseldorf so anständig behandelt haben, z.   B. «NEUE REVUE» Nr.   7, Seite 68, links unten, Kommissar Armin Mätzler vom 1.   K.-K.   Düsseldorf. Heute möchte ich eher sagen, daß sie mich «taktisch sehr gut» behandelt haben, und das einzige, was ich ihnen wirklich nachtrage, nachtragen muß, ist, daß sie bei mir bewußt den Eindruck hervorriefen: «Da sind Menschen, die Dich nicht völlig verurteilen, die nicht ‹Hopfen und Malz als verloren› ansehen, die Dich auch persönlich, also für sich selber, nicht für erwachsen halten, würden sie Dich sonst mit Du ansprechen und ‹Jürgen› sagen?»
     
    [Fünfzehn Jahre später machte der Journalist Michael Föster Notizen über einen «Kriminal-Oberrat M   … damals Sonderkommission Bartsch, heute Leiter der Mordkommission Düsseldorf. Er hat alle Vernehmungen geführt, war auch bei Leichenauffindung im Stollen und bei der Rekonstruktion am Tatort zugegen. Hat mit B. bis zu dessen Tod Briefwechsel unterhalten, hat ihn auch in Eickelborn besucht. Behauptet: ‹Ich war so etwas wie B.’s Beichtvater, er hat damals nichts getan ohne meinen Rat.›»]
    ***
     
    [Jürgen litt in dieser Zeit an einer hartnäckigen Augenstörung. Anscheinend habe ich ihm daraufhin von einer schlimmen Augenkrankheit geschrieben, die ich selber mit etwa elf Jahren bekommen hatte.]
     
     
    Duisburg-Hamborn, 19.   4.   69
    abgesandt 24.   4.   69
     
    Texas!!*
    Hätten Sie es gewußt? Eigentlich müssen Sie es ja wissen, nicht wahr?
    Ja, eine Brille muß ich nun leider doch tragen, schon seit einigen Wochen. Wenn die Sonne scheint, schiebe ich noch extra dunkle Gläser vor. In letzter Zeit nehme ich laufend Nasentropfen. Wennman Asthma hat und dann auch nur ein wenig die Nase verstopft ist, dann kriegt man einfach zuviel. Ab und zu, wenn es ganz mies ist, kriege ich eine fürchterliche Wut und versuche, mir gewaltsam viel Luft zu verschaffen durch hintereinander Luftholen, aber das hilft auch nicht, höchstens gehen im Kopf alle Lichter aus und man kippt einfach um.
    Ich mag gar nicht daran denken, wie furchtbar es sein muß, dazu noch für ein Kind, so lange wie Sie schreiben, neun Monate, in völliger Dunkelheit zu verbringen. Vielleicht war Ihre Isolierung noch schlimmer als meine? Nun ja, ich sah, aber was ich sah, war die ablehnende Haltung der anderen, trotzdem geliebten   …
     
    * (Aus dem Indianischen, genaue deutsche Übersetzung: «Guten Tag, lieber Freund!!»)
    ***
    [Die Presse meldete, daß Jürgen Selbstmord versucht hatte. Ich habe Heinz Möller in Wuppertal angerufen, aber als Rechtsanwalt durfte er lediglich sagen: «Stichwort: Sorgen um Heintje», den Knabensopran aus Holland, der damals – bis zum Stimmbruch – einen beispiellosen Erfolg bei bundesdeutschen Müttern genoß. Der Brief selber verrät ein anderes Stichwort: «Gestohlene Kindheit»: Jürgen schreibt offensichtlich nicht nur über Heintje, sondern auch über sich selbst. Über die Leidenschaft des Briefes könnte man vielleicht schmunzeln, wenn man nicht wüßte, daß der Briefschreiber dabei war, sich von einem Selbstmordversuch zu erholen.]
     
    Was nützt es dem Menschen,
    wenn er die ganze Welt gewinnt,
    an seiner Seele aber Schaden leidet   …
     
     
    Duisburg, Mai 1969
     
    Lieber Herr [ausgekreuzt: Möller] Moor!
     
    [Ein Pfeil deutet auf Anmerkung am linken Rand:] Dieser Brief war zwar zuerst an Herrn Möller gerichtet, hat sich aber erledigt, weil Herr Möller vor ein paar Tagen mich besucht hat und wir ausführlich darüber sprachen. Da er (der Brief) nichts Persönliches zwischen Herrn Möller und mir betrifft, sehe ich es als vertretbar an, Ihnen, dear Mr.   Moor, diesen Brief zu senden und vielleicht sind Sie meiner Meinung, und sagen Sie bitte nicht, was geht’s uns an, ich glaube man darf nicht schweigen bei so etwas.
     
    [Anfang des Briefes:]
     
    Meine Frage an Sie: Ein Kind kann sich noch nicht ganz frei

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