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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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einmal! Denn ich bin immer gegangen worden!
    Nutzt mir der Wille gar nichts? «Das sei ferne», um es einmal mit Paulus zu sagen: Der Wille kann in diesen Fällen, den scheinbar aussichtslosen Situationen, noch viel vollbringen! Nur: In solch schweren Fällen muß dieser gute Wille mit ärztlicher Hilfe gekoppelt werden, denn er alleine schafft’s nicht. Nicht, wenn die Seuche solchen Umfang angenommen hat!
    Heilung wäre vonnöten, denn ich bin krank, krank und nochmals krank!!!
    Das mußte gesagt werden, verstehen Sie, denn ich glaube, man darf eine richtige, ja sogar teuflische Krankheit nicht allein mit Willensschwäche abtun.
    Am guten Willen fehlt’s mir doch wirklich nicht.
    Die Ärzte sind für mich die letzte Hoffnung. Doch hat das noch gute Weile, wenn überhaupt, denn wir dürfen nicht vergessen, daß diese für mich wirklich lebenswichtige Entscheidung von anderen Leuten abhängen wird.
    Schauen Sie mal, ich will wirklich nichts beschönigen; doch habe ich mit Erschrecken in den letzten Jahren immer wieder festgestellt, wie gefährlich einfach es sich viele Leute machen, über diese Verbrechen sich eine Meinung zu schaffen. Doch noch eine Frage wird ewig offen bleiben, daran ändert alle Schuld nichts: Warum muß es überhaupt Menschen geben, die so sind? Sind damit meist geboren? Lieber Gott, was haben sie vor ihrer Geburt verbrochen?
    ***
     
     
    13.   12.   1966
     
    Ich habe nicht die Absicht, in diesem Brief «irgend jemandem» Vorwürfe zu machen. Sollten doch welche auftauchen, so ergeben sie sich allein aus den Tatsachen.
    Warum die Angst, von der ich schrieb? Nicht so sehr vor der Beichte, als vor den anderen Kindern. Sie wissen ja nicht, daß ich der Prügelknabe der ersten Klasse war, was sie alles mit mir angestellt haben. Wehren? Tun Sie das mal, wenn Sie der Kleinste in der Klasse sind! Ich konnte vor Angst in der Schule nicht singen und auch nicht turnen! Ein paar Gründe dafür: Klassenkameraden, die außerhalb der Schulzeit nicht gesehen werden, werden nicht anerkannt, nach der Parole: «Der hat’s wohl nicht nötig!» Ob er aber nicht will oder nicht kann, darin machen die Kinder keinen Unterschied. Ich konnte nicht. Paar Tage nachmittags bei meinem Lehrer Herrn Hünnemeier, paar Tage in Werden bei meiner Oma auf dem Boden geschlafen, restliche Tage nachmittags in Katernberg im Laden. Endergebnis: überall und nirgends zu Hause, keine Kameraden, keine Freunde, weil man niemanden kennt. Das sind die Hauptgründe, doch kommt noch etwas Wichtiges hinzu: bis zum Schulanfang eingesperrt fast ausschließlich in dem alten Gefängnis unter Tage, mit den vergitterten Fenstern und mit Kunstlicht. Drei Meter hohe Mauer, alles da. Man darf nur an der Hand der Oma raus, mit keinem anderen kleinen Kind spielen. Sechs Jahre nicht. Man könnte sich ja dreckig machen, «und außerdem ist der und der nichts für dich!» Bleibt man also ergeben darin, aber drin ist man nur im Wege und wird von einer Ecke in die andere gestoßen, kriegt Schläge, wenn man sie nicht verdient hat, und keine, wenn man sie verdient hat. Die Eltern haben keine Zeit. Vor dem Vater hat man Angst, weil er sofort schreit, und die Mutter war damals schon hysterisch. Vor allem aber: Kein Kontakt zu Gleichaltrigen, weil, wie gesagt, verboten! Wie also sich einordnen? Die Schüchternheit austreiben, was mir beim Spiel geschehen kann? Nach sechs Jahren ist es zu spät!
    Dann Internate. Zwei Jahre keine Mädchen gesehen. In derKüche von Aulhausen arbeiteten Mädchen, die haben wir nie gesehen! Dauernde Predigten: «Wenn wir zwei dabei erwischen, dann fliegen sie!» Es waren damit allerdings nun Jungen gemeint! Aber kann es etwas Schwereres geben, als das nicht zu tun, was die Lehrer verbieten? Na also! Sie erreichten also genau das Gegenteil von dem, was sie wollten.
    Doch zurück zu den «Frauen»: Einmal gab in der Turnhalle eine Artistengruppe ein Gastspiel. Da waren Mädchen in leichter Kleidung bei. Der Priester, der neben mir saß, bekam einen roten Kopf, sagte «Jesus, Maria!» und hielt sich das Gebetsbuch vors Gesicht. Das wirkte auf uns Kinder damals natürlich anders als heute. Und bei manchen grub es sich ein. Nun ja, wenn man mal eine Methode zur Züchtung von Homosexualität sucht, werde ich Aulhausen vorschlagen. Sicher, sie wollten das Beste. Doch manchmal erreicht man das Gegenteil.
    Es soll niemand sagen, daß ich mich nicht um Freunde bemüht hätte. Ich sehnte mich mit ganzem Herzen danach und konnte nie

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