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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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meiner Mutter nur äußerst selten und von meinem Vater, ich muß es leider sagen, gar nicht, erhalten. Wir alle wissen es: Ein Kind braucht Liebe! Einem Kind nutzt keine Liebe, die tief im verborgenen blüht und manchmal recht seltsame Blüten treibt. Nein, sie muß für das Kind vor allem spürbar sein. Schon als kleiner Junge wußte ich um diese Dinge, und das Fehlen des wirklichen Geborgenseins hat mir immer sehr weh getan. Sie wissen, daß ich mich größtenteils zu Hause aufhalten mußte! Was aber erwartete mich dort? Krach zwischen meinen Eltern. Wenn es mal zwei Tage ohne abging, war das schon viel! Krach, weil ich angeblich zu viel fernsah! Aus diesem Grunde habe ich in den letzten Monaten kaum noch ferngesehen. Krach, wenn mein Vater mich im Laden vor Kunden wieder mal «den Dösigen» genannt hatte, und ich mich aus verständlichen Gründen dagegen auflehnte. Krach, wenn ich eine viertel Stunde zu spät nach Hause kam. Krach, wenn ich mal in’s Kino wollte! Dazu kam natürlich mein Unbehagen, daß meine Mutter mich in meinem Alter noch badete, und u.   a. nicht zuließ, daß ich mir ein Wäschestück zum Anziehen oder ein paar Schuhe selbst zurechtlegte. Daraus folgte dann ein Krach mit meinem Vater, der behauptete, ich könne mich in meinem Alter noch nicht allein anziehen.
    Dazu kam, daß wir nie Besuch hatten. Warum? Mein Vater konnte sich nie beherrschen, und mußte seine Frau und mich jedesmal vor dem Besuch regelrecht «mies» machen! Ist sowasschon dagewesen? Aber es war so. Die Folge: Meine Mutter und ich verzichteten auf Besuche, außerdem kam sowieso keiner mehr! Eine Familie ganz ohne gesellschaftliche oder freundschaftliche Verbindungen! Und der Sohn fast immer gezwungen, mit den äußerst schlechtgelaunten Eltern zusammen zu sein, also quasi in einem Gefängnis! Können Sie sich etwas Einsameres vorstellen? Und praktisch jeden Sonntag mußte ich mit nach meiner Oma fahren! Der Sonntagsnachmittag in Werden spielte sich in der Regel so ab: Vater (liest mürrisch Zeitung), Mutter (redet ununterbrochen auf die Oma ein, und zum Unglück noch jeden Sonntag dasselbe), Jürgen (sitzt in einer Ecke und kämpft manchmal mit den Tränen der Verzweiflung). Ich habe meine Oma immer sehr gern gehabt, das wissen Sie ja, aber was zuviel ist, ist zuviel. Über das Biertrinken und das Ausgehen, falls man das in meinem Fall nicht allenfalls mit «Luftschnappen» bezeichnen muß, haben wir ja schon gesprochen. Mit wem ich zusammen sein dürfte, wenn ich mal draußen war, wurde mir von meiner Mutter vordiktiert. Mindestens die Hälfte aller Jungen und Mädchen waren «kein Umgang für mich». Mein herzliches Verhältnis zu allen Angestellten wurde mir vorgeworfen. Zum Beispiel konnte mein Vater nicht verstehen, daß ich nicht den «gebührenden Abstand wahrte». Solche Äußerungen konnten mich wirklich auf die Palme bringen. So z.   B. auch, daß er behauptete, die Kinder der Putzfrau «fräßen sich bei ihm durch». Von dem, was die beiden Kinder aßen, ist er gewiß nicht ärmer geworden! Sie sehen, manchmal grenzten die Redensarten, die ich zu hören bekam, hart an Gehässigkeit. Und für dergleichen war ich absolut nicht zu haben. Was mir dann natürlich auch prompt wieder Krach einbrachte!
    Wie Sie sich denken können, kann in einem solchen Betriebsu. Familienklima keine Häuslichkeit, Geborgenheit oder gar ein Zusammengehörigkeitsgefühl aufkommen. Auch kein, was wichtig ist, Vertrauen!!!
    Und sollte wieder mal jemand kommen und behaupten: «Der hat ja
    alles
    gehabt!»   …   …   …   …   …   …,
    So täte man gut daran, mich festzuhalten!!!
    Ihr sehr ergebener «Junger Rechtsfreund» Jürgen Bartsch

    ***

     
    13.   9.   66
     
    … In meinen Briefen an meine Eltern habe ich, so gut ich es konnte, und soweit, wie es eben noch einem normalen Menschen zumutbar ist, «ausgepackt». Über die Beweggründe, verstehen Sie? Lassen Sie sich die Briefe doch ruhig einmal zeigen. Ich habe in ihnen auch, soweit ich es vermag, meine innere Einstellung zu allem Geschehenen erklärt. Klar genug, wie ich glaube.
    «Seine Tränen kommen zu spät», schrieb
Der Mittag;
nur weiß der elende Schmierfink nichts von all den Tränen, die ich schon vorher vor Reue und Verzweiflung geweint hatte. Sie hätten sie sehen sollen, als sie mit bald hundert Mann vor mir standen und riefen: «Blaß geworden, Junge!» «Jetzt aber schön die Handschellen hoch!» «Aber nicht doch, Junge, nicht so ein Gesicht,

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