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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Moor
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keinen Zeisig ihr bunter
    ob uns auch Speier und Spötter verlacht
    uns geht die Sonne nicht unter.
     
    2.   Zieh’n wir dahin durch Braus oder Brand,
    klopfen bei Veit oder Velten.
    Offenes Herz und helfende Hand
    sind ja so selten, so selten.
    Weiter uns wirbelnd auf staubiger Straß’
    immer nur lustig hurtig und munter
    ob uns der eigene Bruder vergaß
    uns geht die Sonne nicht unter.
     
    3.   Aber da draussen am Wegesrand,
    dort bei dem König der Damen
    klingen die Fideln im weiten Gebreit
    klagen dem Herrn unser Carmen
    Und der gekrönte sendet im Tau
    tröstende Tränen herunter
    fort geht die Fahrt durch den wilden Verhau,
    Uns geht die Sonne nicht unter.
     
    [Im folgenden benützt Jürgen zum erstenmal in seinen Briefen den Ausdruck «Generalplan», den wir häufig im ersten Prozeß gehört hatten. So nannte die Kammer den Plan, den Jürgen bis in die kleinsten Einzelheiten ausgedacht hatte, um Jungen in seine Höhle zu locken.]
     
    Natürlich (schrieb ich nicht schon davon?) hatte ich den Wunsch, die Vorstellung, von zu Hause fort zu gehen, einfach weglaufen zu müssen. Was mich hauptsächlich davon abhielt, war, um es frei heraus zu sagen, mein sogenannter «Generalplan», den ich mir ohne den Stollen einfach nicht denken konnte. Er war einfach ein Teil, ein großer Teil meines Lebens geworden, wenn man es unbedingt Leben nennen will.
    Verhältnis Jürgen   – Möller: sehr gut, sehr herzlich, auch jetzt. Übrigens: Wenn ich gewußt hätte, was da herauskommt, hätte ich den Vertrag wohl kaum in der Form unterschrieben. Aber Sie wissen ja: wer vom Rathaus kommt, ist immer klüger.
    Jürgen   – Bossi: Er ist mir nicht unsympathisch, er ist mir mehr oder weniger gleichgültig, was wohl nicht besonders schlimm ist, denn, so Bossi: «In der Regel besucht ein Revisionsanwalt seinen Mandanten noch nicht einmal, das ist nicht nötig.» . (Nur, wenn er Verträge zu eigenen Gunsten abschließen will. – Anmerkung der Red.)
     
    [Ich hatte Jürgen von einem Marienhausener Klassenkameraden geschrieben, der einer Psychotherapeutin in der Bundesrepublik erzählt hatte, Pater Pütlitz   – PaPü – habe ihn verführt.]
     
    Ihr Wissen kann mich nicht mehr so besonders erschüttern, nach dem, was ich dort alles gesehen und zum Teil mitgemacht habe.Gern hat PaPü, er leitete den Knabenchor (wir gingen auch schon mal nach Mainz, Wiesbaden und Umgeb. singen), beim Proben das Tonband auf ganz hell gedreht, absichtlich, so daß es sich wie Katzenmusik anhörte, und tobte dann wutentbrannt in unseren Reihen herum. Das ist keineswegs übertrieben, denn er schlug dann wahllos drauf, wen er erwischen konnte, und hatte dabei Schaum vor dem Mund.
    Fürchterlich ist mir auch heute noch die Erinnerung daran, wenn wir ein Gedicht aufbekamen, etwa Schiller’s «Glocke». Das halbe Gedicht mußten wir an einem Nachmittag lernen. Am nächsten Morgen saßen wir, teils zitternd, in unseren Bänken. PaPü rief uns der Reihe nach auf, den Rohrstock schon in der Hand, und wartete darauf, bis der erste nicht mehr weiterwußte. Oft ging der Stock dabei kaputt, wenn er prügelte, und auch dabei immer die unverständliche Raserei und der Schaum in den Mundwinkeln.
    Aufschlußreich, wenn man will, gewiß, doch selbst heute kann ich ihm ein gewisses Maß an Respekt nicht versagen. Denn er war nicht das, was man sich unter einem Kinderverderber vorstellt, kein mit Schokolade lockender, hinter den Kindern herschleichender, schleimiger Kerl. Denn er spielte im Talar mit uns Fußball, engagierte Filmvorführungen für uns, setzte sich beim «Direx» für uns ein usw., organisierte einmal im Jahr eine regelrechte Kirmes mit Schießbuden und Verlosung. Die sexuelle Abartigkeit, die er gewiß hatte, paßt da doch absolut nicht hinein, nicht wahr?
    Im Gasthaus, in der Eifel? Ich kann das natürlich nur ungefähr sagen, denn ich hatte an dem Abend noch ziemlich hohes Fieber. Er sagte mir, ich solle doch zu ihm in’s Bett steigen, das tat ich. Er drückte mich an sich und schob seine Hand hinten in meine Hose hinein und «streichelte» mich. Dasselbe tat er auch von vorne und versuchte bei mir zu onanieren, aber das ging wohl darum nicht, weil ich Fieber hatte.
    Wer, außer Ihnen, sollte sich dafür interessieren, und außerdem fand ich es bislang eigentlich lächerlich, darüber zu sprechen, weil zwischen solchen Dingen und meinen Taten einfach keineVergleichsmöglichkeit besteht, verstehen Sie? So sage ich auch jetzt noch: «Im

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