Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
besonders der Weißen zu leiden haben. Das ist ein großes Problem, denn wenn man oft sagt: «Die Kinder müssen es ausbaden», da ist leider etwas, nein sogar viel, dran. Ich wünschte mir nur, daß man diesen Kindern vorurteilslos gegenüberstehen würde, jeder, so wie ich es tue und hoffentlich auch Sie.
119. Was haben Vorurteile für eine Wirkung (a) auf den Menschen mit Vorurteilen; (b) auf den, den er ablehnt; (c) auf die Gesellschaft im allgemeinen?
Der Mensch mit Vorurteilen läßt damit, glaube ich, unbewußten Aggressionen seinen Lauf. Er weiß sich in zahlreicher Gesellschaft und glaubt, ohne diese Vorurteile würde ein Zustand verändert, der ihm zur Zeit irgendeinen Gewinn irgendwelcher Art bringt.
Im also beschimpften Menschen werden Haß und Wut aufgebracht, Aggressionen entwickeln sich, die irgendwann einmal sich auf nun seinerseits ungerechte Art und Weise entladen werden, denn eine böse Saat trägt auch böse Früchte. Außerdem bekommt mancher durch Beschimpfung ein Minderwertigkeitsgefühl.
In der Wirkung auf die Allgemeinheit kann das alles doch nur die Atmosphäre vergiften und auch den gesellschaftlichen Fortschritt aufhalten, z. B. durch Bürgerkrieg, verhinderte Gesetzesreformen usw.
120. Wie hast Du Dich gefühlt, wenn Du meintest, das Opfer von Vorurteilen zu sein?
Ach du lieber Gott, das fühlt man manchmal so, die Frage ist nur, ob das immer stimmt. Aber ganz kraß ist das gewesen beim ersten Prozeß, wo auf einmal gesagt wurde, das Jugendamt hätte, na ja, Sie wissen ja, was ich meine, wo die damals Hellseher gespielt haben auf übelste Weise.
[Der Vertreter des Jugendamtes behauptete, das Ehepaar Bartsch vor der Adoption eines außerehelichen Kindes von einer tuberkulösen Mutter gewarnt zu haben.]
Daß sie auf so traurige Art «recht» behalten haben, ändert nichts an den Tatsachen. Ich war so perplex und so wirklich erschüttert, daß ich gedacht habe, jetzt mußt du aufspringen, sagen oder besser schreien, daß das doch wohl eines der schlimmsten Vorurteile ist, was da völlig regungslos hingenommen wird, und weil das so ungerecht ist, daß ich also ab jetzt nichts mehr sagen würde, weil das ja dann keinen Sinn mehr habe.
Aber ich saß nur da und konnte mich gar nicht rühren, nach einiger Zeit war da nur noch der Gedanke «Das darf doch nicht wahr sein.»
121. Meinst Du, daß eine bestimmte Art Persönlichkeit mehr als andere dazu neigt, Vorurteile zu haben?
Ja, das glaube ich. Ein hochnäsiger, dummer, rechthaberischer, starrköpfiger, uneinsichtiger Mensch wird mit Vorurteilen immer rasch bei der Hand sein.
H. Soziale Muster
122. Wenn Du mal auf eine Party gingst, war es Dir sympathischer, wenn viele oder wenige anwesend waren?
Ich ging auf keine Party, wollte es natürlich gern, aber mit meinen Hemmungen und Angst vor vielen Menschen, da ließ ich es lieber bleiben.
123. Hast Du Dich vorgestellt, oder hast Du gewartet, bis man Dich vorstellte?
Ich kenne diese Regeln überhaupt nicht genau, ich weiß gar nicht, wann man was tut.
124. In dem Laden in Essen: Hattest Du Freude daran, Kontakt mit der Kundschaft zu haben?
Ja, da lag mir viel daran, und das war auch sehr gut, manchmal ein richtig schönes und warmes Gefühl. Nun, mit den älteren Leuten, was ja fast alle Kunden waren, habe ich mich stets sehr gut verstanden, besonders als Einzelperson (damit meine ich das «Gegenüber»), also da hatte ich schon Freude daran.
125. Fiel es Dir leicht oder schwer, vor einem Publikum aufzutreten? Zu sprechen?
Im kleinen Kreise als Zauberer aufzutreten, fiel mir stets bedeutend schwerer als auf der Bühne, wo die Gefahr des Auffallens nicht so relevant war, und wo auch der Kontakt nicht so eng war, daß ich Angst haben mußte. Auf der Bühne war es viel leichter und schöner aufzutreten.
Dabei zu sprechen? Bei den Bühnenauftritten habe ich nie gesprochen, sondern eine sehr schöne Getränke- (Erscheinungs-) und Tücher-Nummer gehabt, die der Natur nach «stumm» war, also mit der üblichen untermalenden Orgel-Begleitung. Diese «stumme» Nummer war mir möglich, eine gute Sprech-Nummer (die beim Publikum allerdings nicht so beliebt ist) hätte ich nicht auf die Bühne gebracht.
126. Hältst Du Dich für geduldig oder ungeduldig? Munter oder depressiv? Tolerant oder kritisch?
Ich halte mich für geduldig. Und für unentschlossen, selten munter, oft depressiv. Aber für
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