Jürgen Klopp: Echte Liebe
in Dortmund oder Schalke bekommt es unverzüglich eingeimpft: Es gibt in der Bundesliga 34 Spieltage, aber nur zwei Begegnungen, in denen es um mehr als drei Punkte geht. In diesen Spielen geht es um die sportliche Vorherrschaft im Revier, um die Harmonie am Arbeitsplatz jedes Fußballfans in schwarz-gelb oder blau-weiß: die beiden Derbys gegen den großen Rivalen.
Ausgerechnet dieses bereits traditionell hochbrisante Revierderby geriet zu einem der wichtigsten Spiele in Klopps erster Dortmunder Saison: Vor eigenem Publikum lag der BVB am 13. September 2008 nach knapp einer Stunde mit 0:3 desillusionierend zurück. Schalkes Angreifer Kevin Kuranyi hätte bei einer Großchance für die endgültige Entscheidung zugunsten von Königsblau sorgen können, doch er vergab. Besser machte es kurz darauf BVB-Verteidiger Neven Subotic, der in der 67. Minuten auf 1:3 verkürzte. Ein Treffer, der nicht nur seiner Mannschaft, sondern auch den 25.000 auf der Südtribüne neues Leben einhauchte. Und die ihr Team immer leidenschaftlicher nach vorne trieb, als der zur Pause eingewechselte Alexander Frei nur drei Minuten später mit einem Traumschuss in den Winkel für den Anschluss zum 2:3 sorgte – allerdings aus nicht geahndeter Abseitsposition.
Derbyheld Alexander Frei
Schalke verlor nun die Nerven und musste die letzte knappe Viertelstunde zu neunt agieren, nachdem sowohl Christian Pander als auch Fabian Ernst vom Platz gestellt worden waren. Trotz wütender Angriffe wollte dem BVB der Ausgleich zunächst nicht gelingen, ehe Gäste-Verteidiger Mladen Krstajic der Ball im Strafraum an den Arm geschossen wurde. Die Folge: ein zweifelhafter Strafstoß. Ob berechtigt oder nicht, Alex Frei war es schnuppe: Er versenkte die Kugel in der vorletzten Spielminute zum nicht mehr erwarteten 3:3 – der Signal Iduna Park geriet zum Tollhaus! Was für ein Comeback: Denn für den Schweizer Ausgleichsschützen war dies sein erster Saisoneinsatz nach zuvor monatelanger Verletzung. Vermutlich rettete die Gäste nur der erstaunlich pünktliche Schlusspfiff des Schiedsrichters – ohne jede Nachspielzeit – vor einem weiteren Gegentreffer und somit einer schmachvollen Niederlage.
Mit Blick zu seinem Schalker Trainerkollegen Fred Rutten, der ebenfalls erst vor dieser Saison bei seinem neuen Klub angeheuert hatte, staunte Klopp nach dem Spiel: »Das war für uns beide ein Crash-Kurs, was in einem Derby alles abgehen kann.«
Ein Derby, für das Klopp und sein Trainerteam ihre Kicker besonders motiviert hatten: Vor Spielbeginn hatten sie den BVB-Profis ein Video gezeigt, auf dem eine Zusammenfassung vergangener siegreicher Derbys zu sehen war – verbunden mit dem Hinweis, nun selbst Geschichte zu schreiben. Auch wenn Klopp dabei vermutlich an einen anderen Spielverlauf gedacht hatte, seine Spieler hatten zweifellos auf ihn gehört.
Keine klassische Rollenverteilung
Nach drei Jahren in Dortmund verließ Derbyheld Alexander Frei den BVB 2009 und ging zurück in seine Schweizer Heimat zum FC Basel. Dass die Borussia ihren Torjäger ziehen ließ, lag auch an der veränderten Spielphilosophie unter Jürgen Klopp, in der die klassische Rollenverteilung passé ist, wie Thomas Hennecke als Leiter der Redaktion West des Kicker Sportmagazins erklärt:
»Bei Klopp verschwinden die Grenzen zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen. Verteidiger eröffnen das Spiel und schieben es an; Stürmer leiten die ersten defensiven Störmanöver ein. Entsprechend systemkompatibel müssen Klopps Spieler sein. Angreifer wie Mladen Petric oder Alexander Frei hat er abgegeben, weil sie sein laufintensives Anforderungsprofil nicht erfüllten. So kritisch diese Personalien 2008 (Petric) und 2009 (Frei) auch von mir hinterfragt wurden, Klopps Entscheidungen machten Sinn. Und die Nachfolgefrage hat er mit Lucas Barrios goldrichtig geregelt: In ihm hat Klopp einen Angreifer nach Maß gefunden. Einen »Knipser«, der auch Bälle behaupten und ablegen kann und die taktischen Vorgaben seines Chefs punktgenau erfüllt.«
Mit dem Remis gegen Schalke war der BVB auch nach dem vierten Spieltag noch unbesiegt und blieb auf Augenhöhe mit dem punktgleichen Reviernachbarn aus Gelsenkirchen. Das zarte Pflänzchen Aufbruchstimmung, das Klopp in den ersten Wochen seit seiner Amtsübernahme erweckt hatte, es durfte sich weiter entwickeln. Daran konnte auch die deutliche 1:4-Niederlage bei 1899 Hoffenheim eine Woche später nichts ändern. Letztlich beendete der BVB die Saison auf einem
Weitere Kostenlose Bücher