Jürgen Klopp: Echte Liebe
fantastische Serie von vierzehn Siegen und einem Remis. Es war die zweitbeste Hinrunde, die je ein Bundesligist gespielt hat.
Während der Winterpause wurde in der Öffentlichkeit intensiv darüber diskutiert, ob diese junge Truppe bereits reif sei für den Titel. Ob sie während der Pause nachzudenken beginne und ihre Unbekümmertheit verliere. Ob sie ihren satten Zehn-Punkte-Vorsprung noch verspiele. Ob, ob, ob. Doch gleich zum Rückrundenauftakt strafte der Spitzenreiter alle Zweifler Lügen, als er mit Bayer Leverkusen bei einem der ärgsten Verfolger einen beachtlichen 3:1-Erfog landete.
Erster Sieg beim FC Bayern seit zwanzig Jahren
Als ein weiterer Meilenstein zur Meisterschaft erwies sich die Partie am 24. Spieltag bei Bayern München im Februar 2011. Die Bayern waren nach dem frischen 1:0-Auswärtssieg in der Champions League bei Titelverteidiger Inter Mailand mit frischem Selbstvertrauen gestärkt und suchten nun ihre letzte Chance, noch in den Titelkampf eingreifen zu können. Ihr Präsident Uli Hoeneß erwartete gegen Dortmund »einen ganz klaren Sieg mit zwei Toren Unterschied«, wie er in der Bild -Zeitung optimistisch ankündigte. Gesagt, getan – nur dass beim 3:1 die zwei Tore Unterschied zugunsten der Gäste ausfielen.
Klopp hatte sein Team exzellent eingestellt und die gefürchtete Münchener Flügelzange um die Superstars Franck Ribéry und Arjen Robben matt gesetzt: Auf der linken Dortmunder Außenbahn doppelten Marcel Schmelzer und Kevin Großkreutz gegen Robben, auf der anderen Seite fand Ribéry kein Mittel gegen Lukas Piszczek, der defensiv auch von Mario Götze unterstützt wurde. Entstanden dann einmal Räume im zentralen Mittelfeld, wurden diese von den beiden »Sechsern« Nuri Sahin und Sven Bender gestopft. Im Ergebnis gelang es den Bayern nicht, ihr Spiel wie gewünscht aufzuziehen – dies auch, weil der Aktionsradius des Münchener Organisators Bastian Schweinsteiger aufgrund des engmaschigen und weit vorne beginnenden Dortmunder Abwehrverhaltens eingeschränkt war. Bemerkenswert: Ausgerechnet bei diesem Triumph stand mit einem Durchschnittsalter von 22,3 Jahren die jüngste Dortmunder Startelf der Bundesliga-Geschichte auf dem Spielfeld.
Nach diesem Erfolg, zugleich der erste des BVB bei den Bayern seit 1991, bekannten sich Spieler und Verantwortliche erstmals öffentlich dazu, Meister werden zu wollen. Zuvor schien auf Nennung des bösen »M«-Wortes eine vereinsinterne Strafe ausgesprochen worden zu sein, so, wie sich jeder Borusse darum gewunden hatte. Doch angesichts von nun zwölf Punkten Vorsprung auf den Zweiten Bayer Leverkusen – und sogar deren sechzehn auf den Titelverteidiger aus München – wären jede andere Zielsetzung auch nicht mehr glaubhaft gewesen.
Und tatsächlich gab der BVB seine Spitzenposition bis zum Saisonende nicht mehr her. Mit einem Durchschnittsalter von 24,2 Jahren wurde der »Kindergarten« zur jüngsten Meistertruppe der Bundesliga aller Zeiten.
Jugend statt Routine
Nach der Beinahe-Insolvenz des BVB hatte die schwarz-gelbe Fangemeinde von der nächsten Meisterschaft nicht einmal mehr zu träumen gewagt – und die folgenden Jahre in sportlicher Mittelmäßigkeit, Tendenz fallend, schien sie zu bestätigen: 2004 Sechster, 2005 Siebter, 2006 wieder Siebter, 2007 Neunter und 2008 Dreizehnter – ehe dann Jürgen Klopp das Ruder übernahm und die Trendwende einleitete.
Der zuvor letzte Dortmunder Trainer, dem dieses Kunststück gelang, war 2002 Matthias Sammer. Seine damalige Meistermannschaft lässt sich mit der von 2011 allerdings kaum vergleichen: Ihr Gerüst bestand in erster Line aus erfahrenen und oft kostspielig erworbenen Akteuren wie Jens Lehmann, Jürgen Kohler, Stefan Reuter, Christian Wörns, Dede, Miroslav Stevic, Jan Koller, Marcio Amoroso, Ewerthon oder Tomáš Rosický. Eigengewächse oder Nachwuchskräfte wie Lars Ricken und Christoph Metzelder waren eher die Ausnahme, ganz im Gegensatz zu 2011.
Der BVB machte aus der Not eine Jugend und setzte auf unverbrauchte, hungrige Spieler. Auf dem Feld agierte keine abgeklärt-reife Startruppe mehr, sondern »junge Wilde« wie der gebürtige Dortmunder Kevin Großkreutz, der das »Wir-sind-alles-Dortmunder-Jungs-Gefühl« vorlebt wie kein Zweiter. Ihm zur Seite standen ebenso hungrige Jungprofis wie Marcel Schmelzer, Mats Hummels, Mario Götze, Nuri Sahin oder Sven Bender. Das unbekümmerte, frische Auftreten dieser sportlichen Draufgänger machte es leicht, sich mit diesem Team
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