Jürgen Klopp: Echte Liebe
er den Ablauf. Und überlässt Zeljko Buvac das Feld. Der in der Öffentlichkeit so scheue Co-Trainer ist hier ganz in seinem Element, ruft mit kräftiger Stimme über den Platz: »Los, Kevin, schneller! Kuba, hier, komm’, komm’, komm’!« Mit seinen langen dunklen Haaren ist er auch aus Entfernung gut zu erkennen. Ein markanter Typ, der wirkt.
Konzentration –
aber ein bisschen Spaß muss sein
Buvac macht die Übungen auch mal selbst vor, lässt dabei sein technisches Können aufblitzen, das nicht verloren gegangen ist, auch wenn die Spielerkarriere über ein Jahrzehnt beendet ist. Und er wird unruhig, wenn die Spieler seinen eigentlich doch selbsterklärenden Anweisungen nicht Folge leisten können. Hier ist ein Perfektionist am Werk. Klopp hingegen macht beim Training nicht mehr selbst mit. Damit hat er aufgehört. Nicht auszudenken, wenn er sich wieder so aufregte wie einst als Spieler. Wenn ihm damals etwas nicht gelang und er nicht verstand, warum die Bewegungsabläufe nicht umsetzten, was der Kopf vorgegeben hatte. Das käme vermutlich nicht gut an vor seinen Spielern.
Die Trainingsübungen folgen klaren Vorgaben: Die Pässe sollen nicht zu »luschig« kommen, mehr Druck muss hinter den Ball. Wichtig sind auch die Abstände zwischen Abwehr, Mittelfeld und Angriff – sie müssen eng sein, dürfen dem Gegner nicht zuviel Raum bieten. Geübt wird jetzt schnelles, direktes Spiel. Pass nach außen, Flanke in die Mitte, Torabschluss. Langerak ist glänzend aufgelegt, pariert einen Schuss nach dem anderen. Auf der anderen Seite drischt Mats Hummels die Kugel wunderbar in den Winkel. Ein Raunen geht durch die Kiebitzreihen. Auch Florian Kringe, angesichts des hochkarätig besetzten Mittelfelds derzeit ohne Chance auf die erste Elf, zeigt sich treffsicher. Marcel Schmelzer und Mohamed Zidan verziehen die Kugel aus kurzer Distanz neben das Tor. Buvac ruft: »Weiter geht’s, los!«
Kurze Zeit später unterbricht Klopp die Übung, nachdem er sie lange schweigend verfolgt hatte. Mahnt mehr Konzentration an. Zu viele Torabschlüsse verfehlen ihr Ziel. Bei aller Ernsthaftigkeit bleibt auch Zeit für ein Späßchen. Stürmer Zidan lockt den Trainer, ob dieser es schafft, ihn aus gut zehn Metern Entfernung durch die Beine zu »tunneln«. Klopp lässt sich nicht zweimal bitten. Beim ersten Versuch trifft er noch Zidans linkes Bein, der zweite Schuss »sitzt«. Der frühere Profi hat den Umgang mit der Kugel noch nicht verlernt.
Kicken auf drei Tore
Der Ball ist bei fast allen Trainingsformen dabei, die Trainingsintensität ist hoch. So auch bei der nächsten Übung. Für die Trainingskiebitze wird es unübersichtlich. Drei Tore werden im Dreieck aufgestellt, so, dass jeder Torhüter die anderen beiden sehen kann. Drei Teams werden gebildet, eins mit roten Leibchen, eins mit weißen und eins in gelber Trainingskluft. Jede Mannschaft hat ein Tor zu verteidigen und muss versuchen, bei einem der beiden anderen Tore selbst zu treffen. Die drei Teams à fünf oder sechs Mann spielen zeitgleich auf engem Raum gegeneinander: Die gesamte Spielfläche ist kleiner als ein halbes Fußballfeld. Fehlt es einem Pass an Präzision, profitiert schnell ein Gegenspieler eines der beiden anderen Teams und nutzt die unfreiwillige Vorlage zum eigenen Vorteil.
Klopp behält den Überblick: »12 zu 9 zu 3« teilt er den Zwischenstand mit. Was das Ganze soll? Durch viele und rasche Wechsel der Spielsituation wird die direkte Ballverarbeitung geschult, Schnelligkeit in Aktion und Reaktion, Passgenauigkeit und Übersicht – also räumliche Orientierung binnen kürzester Zeit. Flinke Bewegungen und schnelles Umschalten, das die Mannschaft gleichermaßen auszeichnet, hier wird beides gefördert. Auch die Torhüter müssen aufgrund des Gedränges auf engem Feld ständig mit abgefälschten Bällen rechnen, sich mit unkalkulierbaren Spielsituationen auseinandersetzen.
Wenige Tage später spielt der BVB in Hannover. Und geht dort mit 1:0 in Führung, ehe er in den Schlussminuten die Konzentration schleifen lässt und noch mit 1:2 verliert. 4:0? Das war letzte Saison. Inzwischen ist die Leichtigkeit des Spiels verloren gegangen, der Alltag hat den Meister eingeholt.
Klopp im Blick des BVB-Fans:
Tacheles statt Larifari
Zu den eher gelegentlichen Trainingsbesuchern gehört Mittdreißiger Thorsten Birgel, seit Kindheit Fan des BVB. Ganz früh auch mal Anhänger der anderen Borussia aus Mönchengladbach – warum, »das weiß ich nicht mehr so
Weitere Kostenlose Bücher