Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
umgesprungen ist. Ich hab’ mir von denen so viel gefallen lassen, mich beleidigen lassen, darunter habe ich gelitten, die letzten Jahre waren für mich seelische Grausamkeit und ich war total erleichtert, als das vorbei war.
Gleichzeitig mit der Open Air-Saison hatten bereits die Proben der „neuen“ BAP begonnen. Jens Streifling hatte Michael Nass angerufen. Er passte. Alles passte. Es war eine wunderbare Wiedergeburt des Namens BAP, für den allerdings Wolfgang Niedecken seinen ehemaligen Mitmusikern einiges auf den Tisch legen musste. Daran dachte aber zumindest Jürgen nicht, als er in Pompignan in der Provence sein Schlagzeug aufbaute, um
Tonfilm
einzutrommeln. Die Arbeitsweise der Band änderte sich mit den neuen Leuten: Lief es vorher im Prinzip so, dass die Band so lange schraubte, bis ein Song so klang, wie ihn sich der Komponist vorgestellt hatte, so ging es jetzt darum, einen Song so lange zu spielen, bis er nach einer Band klang. Für Jürgen hatten die Neuen daran entscheidenden Anteil. Mit Helmut hatte er die Workshop-Tour gespielt, von einer gemeinsamen musikalischen Zukunft rumgesponnen, er hatte gehört, was der Lange bei Wolf Maahn ablieferte, da war alles von vornherein klar.
JÜRGEN ZÖLLER … SELBST: Es war ein Genuss: Man ist weitergekommen wie von selbst, das Musikmachen lief irgendwie so nebenher. Da bin ich wieder richtig aufgeblüht. Da war ich wieder ich selbst, plötzlich. Da waren die ganzen 12 Jahre schlagartig weg, in denen ich mich selbst zum Arsch gemacht habe. Dieses Gefühl war die ganze Zeit da gewesen, und ich hatte sieben Chefs gehabt. Mit einem Schlag war das alles weg. Und da fing es an, richtig super zu werden.
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Tonfilm – Beinahe ein Unplugged Album
Tonfilm war noch nicht der Sound, den die neue BAP Besetzung mal haben sollte. Es war eine Art Zwitter aus dem ursprünglich geplanten Sesselpupser-Unplugged-Sound und einer Rockband, die mit angezogener Handbremse rockt. Jürgen empfand das, was da heranreifte, als eine Art „plugged and seated“-Album – in der Anlage verwandt dem Stripped-Album der Rolling Stones. Man spielte mit Sichtkontakt, aber trotzdem sauber akustisch getrennt. Das Studio war ein ehemaliges Weingut, die Türen waren offen, wer genau hinhört, kann da auch mal Vogelgezwitscher oder das Bellen eines provencalischen Hundes hören. Noch kannten sie sich nicht richtig, zumindest nicht alle. Jürgen fragte sich beim neuen Keyboarder Michael Nass, den er vorher überhaupt nicht gekannt hatte, gelegentlich: Was spielte der da? Wo wollte der musikalisch überhaupt hin? Aber so was wurde nie zu einem Problem. Da wurde dann mal Klartext geredet über die Funktion der Keyboards in einer gitarrenorientierten Band, und dann funktionierte es.
JÜRGEN ZÖLLER … SELBST: Der Micha hat ein unglaubliches Gehör. Der sagt beispielsweise nicht: Die Gitarre ist verstimmt, sondern der sagt genau, welche Saite leicht schräg klingt, wenn Helmut beispielsweise C Moll Sieben greift. Micha hört die Flöhe husten, hat ein unglaubliches Wissen und kann sehr viel, ist permanent unter Strom auf eine bestimmte Art, in dem Kopf arbeitet es dauernd.
Während man sich für die Tour, deren Schwerpunkt das eher zurückhaltende Tonfilm-Album bilden würde, auf bestuhlte Konzerte einrichtete, bei denen die Erwartungshaltung des Publikums sowieso eine andere sein würde, stand neben einigen Warm up-Konzerten und Kino-Auftritten auch ein „normales“ Open Air-Konzert an, bei dem die Leute abrocken wollten. Da war Partyprogramm angesagt, und der eine oder andere Muffel mit verschränkten Armen würde da wohl schon überzeugt werden müssen, dass die neuen BAP auch das konnten. Beim Open Air-Festival in Gerolstein am 18. September 1999 gab es dann diesen nervösen Moment, in dem Jürgen kurz etwas mulmig wurde. Jetzt galt es. Los ging es mit dem Song, mit dem auch die alte Band noch die Konzerte der
Comics & Pinups-Tour
eröffnet hatte: „Psycho Rodeo“. Der Loop startete, Jürgen schaute rüber zu Helmut. Wo aber blieb nun das Riff? Helmut griff wohl in die Saiten, allein es kam nur heiße Luft. Jürgen mühte sich in Disziplin, schaute die ganze Zeit möglichst cool die ganze Bühnenbreite hinauf, hinunter. Nichts. Helmut pfriemelte. Jürgen spielte stoisch zu dem Loop. Alleingelassen von der Gitarrenverstärkertechnik. Helmut pfriemelte. Jürgen überlegte, ob er das Pedal treten sollte, mit dem der Loop gestoppt werden konnte. Wäre eigentlich
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