Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
wurde er in Köln-Nippes im Güterbahnhof. Es gab den Salonwagen mit einzelnen Wohnabteilen, ein weiterer Wagen hatte die Bühne integriert, die ganze Backline und eine kleine PA drauf, der fahrende Klappaltar des Rock’n’Roll. Drei Tage lang sollten sie unterwegs sein. In Köln spielte zum Abschied eine Blaskapelle des Schützenvereins „Alles im Lot“ in der Version Eiche rustikal, aber dennoch modern. In Koblenz stiegen die ersten Journalisten zu und die erste „richtige“ Station war Frankfurt. Einfahrt Hauptbahnhof 25. August 1996, 12.30 Uhr, bitte zurücktreten. Jürgen wohnte damals noch in Frankfurt. Wie das wohl sein würde? Ob da überhaupt jemand am Bahnsteig stand? Jürgen lehnte sich in der Kurve aus dem Abteilfenster, als der Zug einfuhr und siehe da – der Bahnsteig war schwarz von Menschen. Links und rechts vom Zug. Für die Kurzauftritte standen immer sieben, acht Songs auf der Setliste, ein halbes Dutzend vom neuen Album und natürlich „Waschsalon“ und „Verdamp lang her“. Von Erichs Salonwagen zur rollenden Bühne gab es keinen direkten Durchgang, also mussten dich die Musiker an der Bahnsteigkante zwischen Waggons und den Fans durchquetschen. Rund 3000 standen in Frankfurt Spalier. Ohne Security-Personal hätten es die sieben Herren nicht auf ihre kleine Bühne geschafft. Zwei kräftige Jungs der Sicherheitsgarde schaufelten den Weg frei, als plötzlich eine Stimme aus der Menge rief: „Jürgen! Kennst du mich noch?“ Klar kannte er ihn noch. Es war Heiner Müller, der erste Kumpel, den er neu kennen gelernt hatte, als er nach Bad Soden gekommen war. Heiner war Mitbegründer des
Fichtelclub
gewesen und hatte zu King Beats-Zeiten immer als freiwilliger Gratis-Roadie und Fahrer einsatzbereit gestanden. 30 Jahre hatten sie sich nicht gesehen. Das ging ja gut los, und es ging auch gut weiter mit der „richtigen“ Tour, die im August 1997 endete. Die Band schien wieder zusammenzuwachsen.
Für
Comics & Pinups,
die Major Heusers letzte BAP-Arbeit werden sollte, gab es einen weiteren Besetzungswechsel. Sheryl Hackett ersetzte Mario Agandona. Wolfgang hatte sie kennen gelernt als er, von seinen „Leoparden“ eingeladen, mit der Peter Maffay-Band in der Dortmunder Westfalenhalle „Nix wie bessher“ gespielt hatte. Die karibische Perle spielte also im Studio und ging dann auch mit auf die Tour, die sich dem Album anschloss. Jürgen genoss es, live zu spielen. Für ihn spielten Erwägungen wie „wie viele CDs haben wir eigentlich verkauft?“ oder „waren hier nicht auf der letzten Tour mehr Leute im Saal?“ überhaupt keine Rolle. Natürlich fiel
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bereits in die Zeit zurückgehender CD-Umsätze, und das schlug der Business-Fraktion in der Band wieder einmal schwer auf den Magen. Jürgen hörte wieder diese Stimmen, die er gar nicht gerne hörte. Sie gehörten zu Hans, zu Balou und zu Major. Ihr Klagelied war nervensägend und sein Refrain lautete „Früher war alles viel besser“. Manchmal wurde auch die B-Seite aufgelegt, die hieß dann „Alles Scheiße“. Und einer sang den Solopart: „Ich hab’ keine Lust mehr, schon wieder ‚Verdamp lang her’ zu spielen“. Nichts war scheiße, dachte sich Jürgen und haute rein. Gut, vielleicht interessierte es ihn auch einfach deshalb nicht, weil er als Nichtmitglied der Band im vertragsrechtlichen Sinn sein Gehalt bekam und damit basta. Unabhängig davon aber wusste er: So geht Rock’n’Roll nicht, nicht mit dieser Stimmung und nicht auf Dauer.
Die klamme Zähigkeit begann sich wieder einzuschleichen, die Zeichen dafür flackerten an der Wand. Auf dem Plan stand als Nächstes ein Unplugged-Album mit großem Bahnhof: Band, Orchester, Pomp und Gedöns. Geprobt wurde wie schon zuvor in dem alten Schulhaus in der Eifel, aber es wollte und wollte sich nicht so recht zusammenfügen. Ideen wurden entwickelt und verworfen, derweil klinkte sich Jürgen aus. Abstand gewinnen: Zum einen war er inzwischen nach Karlsruhe gezogen, wo seine Freundin Isabell wohnte, zum anderen kam das Angebot, im September 1998 eine Workshoptour zu spielen für den Schlagzeughersteller Drum Workshop, die Beckenschmiede Zildjan und Vater Sticks. Jürgen war schon oft gefragt worden, ob er eine solche Tour machen wollte und hatte dann immer höflich aber bestimmt abgelehnt. Eigentlich könne er den Zuhörern nichts erzählen, er könne nur spielen, und solche Workshops seien ihm sowieso ein Gräuel, basta. Hier nun besann er sich eines Besseren,
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