Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
hat den Mut zu interpretieren, das kannst du nicht lernen. Zum Beispiel, die Snare in der Time soweit nach hinten zu spielen, dass es schon fast zu spät ist. Die Tiefe, die dieser Mensch damit in die Musik bringt! Da sagen viele Drummer, die handwerklich mehr drauf haben als er: ‚Das kann ich so nicht spielen.’ Jürgen kann auch noch mit halb ausgefallenem Monitor spielen! Ich glaube, bei ihm könnte das halbe Schlagzeug zusammenbrechen, der würde weiterspielen nach dem Motto: Guck’ mer mal, was jetzt noch so geht … Das ist einfach ein genialer Musiker, dem nichts zu schwer ist. Ich liebe den Mann, der ist für mich so was wie ein zweiter großer Bruder.“ Für den man noch ein bisschen mehr tun kann als nur die Drumsticks reichen. Wenn sich ein Schlagzeuger hinter Jürgens Drumset setzt, wird er vermutlich denken: Wie ist das denn aufgebaut? Die Snare Drum mit ihrer extremen Schrägstellung ist das Auffälligste. „Das ist eine Ergonomie, die auf 99 Prozent aller Drummer nicht passt. Mir geht es darum, es möglichst komfortabel für ihn zu machen. Einmal hat er über Schulterschmerzen geklagt, da hab’ ich ein bisschen rumprobiert, Becken neu justiert, und dann ging es. Dazu muss man natürlich die Bewegungsabläufe des jeweiligen Drummers genau kennen.“ Und er kennt sie.
Hotelfrühstück morgens. Noch einer, der früher wieder weiter muss: Andy ist TL, das steht für „Technischer Leiter“. Job Description in einem Satz? „Ich muss die Musiker auf die Bühne bringen und wieder runter. Und ich bringe die Weinschorle, während das Konzert läuft … aber ganz diskret.“ Er hat auch sonst noch einiges zu tun, beispielsweise sicherzustellen, das die örtliche Technik den Ansprüchen von BAP genügt. Manchmal braucht es diplomatisches Fingerspitzengefühl. „Die Lichttechnik gestern Abend war von Veranstalterseite nicht das, was wir uns so vorgestellt hatten. Aber man kann am Telefon nicht alles klären und muss dann eben damit leben. Auch die PA stand auf der Bühne, das ist auch nicht optimal, das kann Schwingungen im Bassbereich geben.“ Die Schwierigkeit bei der Arbeit mit Veranstaltern, die ja auch oft Überzeugungstäter sind. Gerade weil BAP immer noch eher weniger als „Firma“ denn als Band von Freunden wahrgenommen wird, mit denen sich’s auch mal kungeln lässt. Da muss der richtige Ton gefunden werden. Aber auch die nötige Bestimmtheit, denn die Band muss nach außen hin ein absolut professionelle Bild abliefern – und dazu gehören eben Licht und Ton.
Inzwischen ist auch Jürgen halbwach am Frühstückstisch angekommen, stochert in seinem Müsli und stellt abschließend fest: „Der Start gestern war geschmeidig, aber wenn man zwei Wochen nicht on tour war, ist klar, dass es dann nicht ganz so rund läuft, das merkste schon.“ Abfahrt am Hotel gegen 12 Uhr mittags. Presseschau. Der Südkurier schreibt unter der Rubrik „Blick in die Szene“ in holprigem Deutsch: „Dem Ende zu neigt sich das 13. Konstanzer Zeltfestival. Und – man muss es sagen, es gab spannendere Auflagen in den Jahren zuvor. Außergewöhnliche Konzerte wie die von Lamb-chop, Element of Crime, Elvis Costello, Adam Green oder Mercury Rev fehlten in diesem Jahr vollkommen. Stattdessen gab es BAP und allerlei Komödiantisches.“ Hätte Springsteen dort gespielt, hätten sie sich das verkniffen. Wolfgang Niedecken kommentiert lakonisch „Wenn wir keine außergewöhnlichen Konzerte machen, wer dann?!“ Der Tross ist unterwegs nach Schwäbisch Gmünd.
Es soll regnen, und das Konzert ist heute nicht im Zelt, sondern draußen auf dem idyllischen, von Fachwerk umgebenen Münsterplatz. Wolfgang Niedecken wird die Schwäbisch Gmünder später hocherfreut aufklären, dass der Dombaumeister hier für den Kölner Dom geübt hat. Das Kleinkunst-Café
Spielplatz,
direkt neben dem Münster gelegen, feiert seinen 20. Geburtstag. Wolfgang ist quasi der Taufpate dieser gemütlichen Kultur-Oase. Als Eva Staller, Rainer Koczwara und Franz Hahn 1985 nach einem Namen für ihr Etablissement suchten, hatte er „Spielplatz“ vorgeschlagen. Während Andy die Garderobenspinde durch den schmalen Eingang hineinbugsiert, stellt Wolfgang missmutig fest, dass es keinen wirklich ruhigen, abgetrennten Künstlerbereich gibt. Abhilfe ist mit ein paar Bahnen Molton schnell geschaffen. Auf der
Greatest Hits-Tour
ist auch wieder „Müsliman“ im Programm, mit dazugehöriger „Signalflagge“ für die Publikumsbeteiligung. Ein großes
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