Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
vorher die Köppe in den Fels hauen lassen.“ Aber jetzt sind erst mal die Freunde von Fury in the Slaughterhouse da, und es herrscht eitel Verbrüderung. Es ist noch eine halbe Stunde Zeit für allerhand Absprachen, Verhandlungen, Blödsinn und Gedöns. Zum einen wird beschlossen, im BAP-Set einen Song zusammen zu machen, „Dead Flowers“ von den Rolling Stones, zum anderen gibt Fury-Gitarrist Christof Stein-Schneider gleich das Wort zum Sonntag aus – den Witz, den die lebende Musikerwitz-Jukebox Jürgen anschließend 48 Stunden lang jedem erzählen wird. Manchen auch mehrfach, da kennt er nix. „Was ist der Unterschied zwischen einem Sänger und einem Terroristen? Na? Der Terrorist bringt sein Equipment selbst mit und man kann mit ihm verhandeln.“ Die zweite Variante geht nur auf Englisch, ist aber genauso gut: „What do a singer and a terrorist have in common? They both can destroy a bridge within seconds.“
Es gibt zwei Zelte hinter der Bühne im Steinbruch, eins für Wolfgang, das gleichzeitig auch Didis Produktionsbüro ist, und eins für die Musiker. Hier ist ein ständiges Kommen und Gehen. Anne hat den Laptop aufgeklappt und zeigt Jürgen die kreativen Werke ihres zehnjährigen Sohnes. Texte, Zeichnungen. Die geborene Sächsin, die auf der Jubiläumstour schon als Dauergast bei sehr vielen Konzerten dabei war, fühlt sich in der „multinationalen“ Herrenrunde gut aufgehoben. Selten gebe es eine Band, in der man so schnell heimisch wird, und bei der auch für einen Außenstehenden sofort der gegenseitige Respekt, den die Musiker füreinander empfinden, sofort spürbar wird. Dann stürmt Carsten Klick das Band-Zelt, profilierter Profidrummer (unter anderem bei Joachim Witt) und auf der BAP-Tour Backliner Stage Right. Unüberhörbares Kennzeichen: Ausgeprägte Berliner Schnauze. „Ick bin ma da hochjestiegen …“ beginnt die Erzählung vom langen Aufstieg an den gelben Baufahrzeugen vorbei, hinauf auf den Kamm des Steinbruchs. Man will ja schließlich auch mal seinen Arbeitsplatz für die nächsten Stunden in aller Ruhe von oben betrachten. Kein Verbotsschild hinderte ihn, kein Zaun nirgends. Bis plötzlich von weit unten die Stimme eines empörten Mannes an sein Ohr dringt, er sei der zuständige Mann von der Feuerwehr, frage sich ernsthaft, was er da oben treibe und habe die Aufgabe, ihn zum Umkehren zu bewegen. „Der hat jesaacht, ick hole sie notfalls mit Waffenjewalt runter!“ berichtet Carsten immer noch leicht verwirrt. Aus diesem Stoff sind die Geschichten, die die Orte der langen Tourneen in der Erinnerung unterscheidbar werden lassen.
Helmut schaut den Furys bei der Arbeit zu. Es war eine lange Nacht hinter der Bühne beim
Café Spielplatz,
er hat seine Sonnenbrille bisher noch nicht abgesetzt. „Ich kann mir überhaupt noch nicht vorstellen“, sagt er in sehr gedehntem Ostriesisch, „dass ich in ’ner Stunde da oben das gleiche tue …“ Er wird es tun, und mehr. Die Piratenflagge mit dem Totenkopf hängt heute wieder, das Backdrop zu „Nähxte Stadt“, die Band als Mannschaft von Asphaltpiraten, die jede Nacht irgendwo aufschlägt, eine Bühne entert, die Seelen des Publikums stiehlt und sich wieder aus dem Staub macht. Heute ist Kurzprogramm, heute gibt es kein „Noh Gulu“, heute kann der Totenschädel hängen, der bei den bisherigen Konzerten im Flight-case bleiben musste. „Ich hab’ langsam ein gestörtes Verhältnis zu Totenschädeln“, hat Wolfgang auf der langen Fahrt seine Afrika-Erlebnisse reflektiert, die Schädelstätten des Bürgerkrieges, die man ihm gezeigt hatte. Das Konzert wird eine
Tour de Force.
Hier sind nur zweieinhalb Stunden zu spielen, und wenn man aus der Perspektive des Drum Roadies zuschaut, sieht man: Jürgen startet heute gleich auf Dienstgipfelhöhe, 15 auf der nach oben offenen Zappel-Skala. Dazu passt auch die schiere Hardrock-Lautstärke des heutigen Gigs, BAP erreicht durchaus Deep Purple’sche Dezibelbereiche vor der „In Rock“-Kulisse. Dank „Aushilfsmixer“ Schabbach. Schabbach ist ein freundlicher Hesse, der ein Faible für Kampflautstärken hat – immer unter Wahrung des angenehmen HiFi Stereo-Klangbildes. Seinen bürgerlichen Namen scheinen alle vergessen zu haben, Schabbach heißt eben Schabbach. Warum? Er soll dereinst, klärt Jürgen Unwissende für gewöhnlich auf, in einem Fachgespräch beiläufig auf gut Frankfurterisch geäußert haben „schabbach ä Aalaach“ (hoch deutsch: „Auch ich befinde mich im Besitz
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