Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
em Sommer dä Papst ahm Boxe wohr …“ Doch, das könnte gehen. Am 10. August, auf dem Roncalliplatz vor der Domkulisse, werden sie dann trotzdem anders anfangen.
Wolfgang schiebt dem Pissfigürchen vor der Hotelpforte einen Plastikbecher unter, „falls es doch mal losgeht“ und verabschiedet sich dann. Der Rest der Band wird heute Nacht besonders umfangreichen Adrenalinabbau betreiben müssen, denn die Kollegen von Fury in the Slaughterhouse sind „unglücklicherweise“ in einem Hotel untergebracht, das nur ein paar Schritte die Straße runter ist. Man hat sich um zwei große Tische gequetscht und versucht nun, alle Fragen des Universums in die lange Nacht zu quetschen, inklusive Antworten. Jürgen erzählt von dem Spinal-Tap-mäßigen Supermax-Auftritt unter Drogeneinfluss (wir berichteten) und Christof Stein-Schneider erweist sich als der Philosoph der knappen Einwürfe. Es wäre eine angemessene Aufgabe für die öffentliche Hand, zumindest in seiner Heimatkommune Hannover, die Sätze dieses klugen und lebenserfahrenen Mannes in Stein schneidern zu lassen und an gut zugänglichen, beleuchteten und stark frequentierten Stellen wichtiger Städte aufstellen zu lassen. Irgendwann ringt er sich durch zu einem: „Ihr seid schon eine geile Rock’n’Roll-Band.“ Und fast klingt es ein bisschen neidisch. Der Sachse Michael Nass erzählt, wie er in seiner Zeit bei „Gerhard Gundermann & Seilschaft“ (der DDR-Liedermacher, der nie seinen Beruf als Baggerfahrer aufgegeben hat, gestorben 1994) für sich selbst die Wichtigkeit der Texte entdeckt hat. Nicht nur für den Song, sondern auch für das, was man selbst dazu beitragen kann, den Text musikalisch in Szene zu setzen. Und wie ihm diese Fähigkeit bei BAP nun auch zugute kommt. Es sind solche Nächte, in denen man munkelt, der Ostfriese sei gleich direkt zum Frühstücksbüffet durchmarschiert, und Nächte, nach denen der ausgeschlafene Herr Niedecken schon mal stirnrunzelnd fragt, wann denn die Tafelrunde sich ins Bett verfügt habe. „Die wissen aber doch, dass wir heute Abend wieder aufnehmen?“ Natürlich wissen sie das, und um 20 Uhr beginnt regelmäßig ein neues Leben.
Wieder Kilometer fressen, ein bisschen Zick-Zack muss eben bei jeder Tour sein. Von Bad Lahspe bis Mainz hat Wolfgang viel Zeit, die er unter anderem nutzt, noch einmal die Setlist für den Abend durchzugehen. Heute Abend wieder „Noh Gulu“ als allerletzte Nummer und dann die Feststellung, dass das eigentlich nicht geplante „Hungry Heart“ wieder ins Programm muss. „Jürgen will ‚Hungry Heart’, heute kommt sein Enkel, und bevor der anfängt zu fragen: Wann singt der Opa?“ „Chippendale Desch“ fliegt dafür raus, entscheidet Wolfgang pragmatisch. Jürgen hat noch vor der Abfahrt des Trosses im Wittgensteiner Land pragmatisch entschieden, dass er in Mainz im Hotel eine Massage braucht. „Gut, wir sind gegen 15 Uhr in Mainz. Da sind wir auf der sicheren Seite.“ Er hinterlässt seine Handynummer, dankt. Auf früheren Tourneen hatten die örtlichen Veranstalter alle drei, vier Tage einen Masseur in die Halle zu beordern. Dieser Service war aber langsam eingeschlafen, weil Jürgen immer der Einzige war, der es wirklich wollte. Wer jetzt einen Masseur braucht, bestellt ihn vor, der örtliche Veranstalter zahlt dafür. Die Mainzer Masseurin jedenfalls ist eine osteuropäische Walküre, die Jürgens fast sechzig Jahre alten Körper heftig durchwalkt und damit dazu beiträgt, dass er das Konzert als das „rundeste“ dieser Reihe von vier Konzerten empfindet.
JÜRGENZÖLLER … SELBST: In Mainz war ich wieder in einer Art Tourroutine, da hätte ich den Autopilot einschalten können, wenn es nötig gewesen wäre, und hätte es ohne Probleme überstanden. Aber es war anders. Ich habe es alles genossen. Es gibt Abende, da merkst du, ah- es flutscht, weil du gut drauf bist und auch körperlich fit. Wenn die körperliche Seite abgedeckt ist, dann fängst du an, Musik zu machen. Dann fängst du auch an, intuitiv zu spielen, du traust dich einfach mehr. Weil du ja sonst immer aufpassen musst, dass du dich nicht vor lauter Eifer und Euphorie irgendwie verrenkst. Das kommt auch vor, selten zwar, aber es passiert. Du bist am Headbangen und auf einmal macht es ‚knack’, und du hast ein steifes Genick. Das ist mir schon passiert, das ist dann aber richtig scheiße.
In Mainz ist es heiß, so richtig heiß. Ausgerechnet heute wird in einem Zelt gespielt, das sich den ganzen Tag
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