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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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spielte, was auch sonst. Etwas angespannt sahen die beiden schon aus, das erkannte Jürgen auch noch in seinem virusmedikamentösen Tran. So als lebten sie in etwas aus den Fugen geratenen musikalischen Verhältnissen. Sie guckten sich an, sie guckten ihn an, schließlich huben sie unisono an zu sprechen: „Hier, äh … du musst spielen.“ Aha. Ist ja okay, spielen kann man immer, wenn man nicht gerade tot ist wie jetzt. „Ja, ich muss spielen. Gern und oft. Und deshalb kommt Ihr JETZT zu mir? Ich muss jetzt erst mal sterben.“ Wieder guckten sich die beiden an, wie es schien, etwas verlegener. Aber auch wild entschlossen: „Jetzt! Also heute Abend … also gleich“, sagte nun Christian. „Wie? Wo?“ „Ja mit uns, mit unserer Band ‚Nicoya’“ Soso. Ein orgelnder Pfarrerssohn und ein bassspielender Saxophonist mit einer Band mit einem blöden Namen wollten ihn an der Schwelle des Todes auf einen Schlagzeughocker setzen. Ging das auch wieder weg? Jürgen probierte es mit sachlichen Argumenten: „Erstens: Ich weiß gar nicht, was Ihr spielt, zweitens lieg ich hier krank im Bett und hab’ Fieber“ „Ja, aber du musst mitspielen, weil unser Schlagzeuger muss seine Wohnung neu anstreichen! Der kann net heute“ Das mussten Gespenster sein. Pfaffensohn, Bassbläser und Anstreicher, die heilige Dreifaltigkeit. Ein Fiebertraum, ganz sicher. Trotzdem fragte er vorsichtshalber nach: „Wie, Wohnung anstreichen?“ „Ja, richtig gehört: WOHNUNG ANSTREICHEN! Der spinnt völlig.“ Und schon war man unversehens mitten in den schönsten Verhandlungen. Schwächer wurden die Abwehrversuche, schon glitt der für den Abend erwählte Trommler in den Ausgehanzug. „Ich weiß aber doch gar net, was Ihr spielt!“ kam nun schon etwas jämmerlicher. Christian musste spüren, dass er gewonnen hatte. „Wir gehen jetzt zum Jojo nach Hause, und dann spielen wir dir ’ne Kassette vor, und dann hörst du dir des an und dann kannst du des schon!“ Tablette rein, Sticks gegriffen, Tür zu, Treppe runter und ab zum Tastenpfaffen, zwanzig Sekunden schätzungsweise. Jürgen ward gar zauberlich zumute, als er sich das „Programm“ anhörte, das ihm Jojo vermittels Kassette ins Ohr pumpte. Eine sehr aus den Fugen geratene Musik schien das zu sein. „Wird schon gehen“, dachte er komatös und sah bunte Lichter tanzen, hörte die Synapsen fiepen, Englein singen und das Auto losfahren. Ruhe bewahren!
    Als die tapfere Truppe am Volksbildungsheim ankam, war im Kopf nur noch ein weißes Rauschen übriggeblieben. Welche Band? Was für ein Programm? „Was ist denn das überhaupt für’n Gig?“ fragte er zuerst sich und dann die anderen. Die Menschenzusammenballung im Volksbildungsheim sah aus wie eine alternative Karnevalsveranstaltung, es roch wie eine sehr alternative Karnevalsveranstaltung, und es war auch eine. Von der erlesensten Sorte. Der ganze Laden war voll Räucherwerk, nicht so kleine Räucherstäbchen, sondern riesige Bündel. Riesige Riesenbündel, und Kegeln und Kugeln, die alle einmütig vor sich hindampften. Die Luft wurde knapp. „Wer macht das da?“ „Ewiger Atem.“ Ah, klar. Natürlich, was sonst. Oh ewiger Atem des Räucherwerks. Ein Haufen Freaks, die in der Nähe der Uni in einem besetzten Haus eine Massenwohngemeinschaft unterhielten. Hippies, Künstler. Einer von ihnen, Bernhard Höke war dadurch berühmt geworden, dass er ab und zu rituell einem Huhn den Kopf abgehackt oder eine Taube geschlachtet hatte. Und nun schwebten durch das Dampfen, Mampfen und Schlampfen zarte Mädels und drückten den musikalischen Gästen des Abends voll glubschäugiger Freundlichkeit jeweils eine fette Tüte in die Hand, als Inspirationshilfe. War er da in einen dieser neuen Afri-Cola-Werbespots von Charles Wilp hineingeraten? Oder war es wirklich wahr? „Probier mal …“ flötete eine Fee des ewigen Atems, vollführte eine kreisende Bewegung mit einem Töpfchen brauner Masse vor Jürgens Nase. Nutella mit Mandeln, dachte er sich. Mund auf und durch.
    Von wegen Nutella. Die Grippetabletten tanzten einen Tanz mit den Risiken und Nebenwirkungen der Nutellamandeln Mandelnutellas Nuttenmandalas Muttermaltralala Nirvana Hopsassa. Der Boden quoll unordentlich auf, ein dicker weißer Flokati mit pelzigen Noppen,
right here on the floor – a Dora …
Die Wände waren ganz sicher doch jetzt aus gelbrosa Marshmellows und alles zusammen mindestens ein gelbes Unterseeboot, wenn nicht mehrere? Es brauste ein Ruf wie Spiralhall. In

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