Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Nicoya-Gig, der wirklich weit entfernt war von Frankfurt, sollte in einem Jugendzentrum in Rheinhausen über die Bühne gehen. Hier fanden sie nun wirklich paradiesische Bedingungen vor: Eine richtige Garderobe in einer Zeit, in der Veranstalter die Frage der Künstler nach einem solchen Raum meist mit einem leeren, verzweifelten Blick beantworteten. Und noch sensationeller: Es gab ein Catering, das hatte Jürgen bis dato noch nie erlebt. Das Problem allerdings war: Der Nukleus dieses Caterings war eine Half-Gallon Jim Beam-Flasche, die Ron und Pete vor Beginn des Auftritts testeten. Der Auftritt selbst begann infolge dieses Tests mit einer rund viertelstündigen Ansage von Pete Bender. Das überwiegend studentische Publikum schien es wohlwollend aufzunehmen. Interessiert wiegten sie ihr prächtiges Haupthaar nun auch im Klang der gesprochenen Worte. Wie es sich eben für Schwerstintellektuelle geziemte. Der Künstler, davon waren sie zunächst einmal überzeugt, wird uns schon etwas sagen wollen. Wollte er auch, allein es fiel nach dem Ende der Vorrede zunächst der Bassverstärker aus. Was tut der kreative Musiker der frühen siebziger Jahre, wenn der Bassverstärker ausfällt? Er greift zum kombinierten Schlagzeug und Percussion-Solo. Das dauerte schon mal 20 Minuten. Aber als der Bassverstärker wieder brummend seine Arbeit aufnahm, war den auf der Bühne versammelten, amtlich betrunkenen Musikern offenbar entfallen, was sie dem Publikum nun eigentlich sagen wollten. Und so kam es, dass dieses schweigend den Saal verließ, langsam und gesittet, einer nach dem anderen, wie in Zeitlupe, das prächtige Haupthaar wie im Klang der eigenen kreisenden Gedanken wiegend. Bis wirklich keiner mehr im Saal war. Die Tür ging auf, herein kam Christian Felke, der am selben Nachmittag in Frankfurt im Palmengarten gespielt hatte, und stellte die unerwartet konkrete Frage: „Was ist denn hier los?“ „Tja, es sind alle gegangen, es war nich so doll …“ lautete die etwas betretene Antwort des gescheiterten Künstlerkollektivs. In solchen Momenten merkte Jürgen, dass nichts mehr richtig zusammenlief. Die Band fing an, sich leise zu verabschieden, ohne dass man genau wusste, warum.
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Die Austria-Connection. Von Gerry Edmond zu Wolfgang Ambros
Im November 1974 bekam Jürgen Besuch in seiner WG in der Nähe des Frankfurter Hauptfriedhofs. Der Besucher war Mingo Siewert, eine Frankfurter Institution. Der Papa aller Schlagzeuger, die Seele der Trommler ganz Hessens. Mingo war Profi, spielte nachts und arbeitete tagsüber im Musikhaus Hummel. Er hätte da einen Freund, Gerry Edmond, einen Österreicher, der wiederum betreibe eine Band, so eine Art Tanzband. Nein, das Wort „Tanzband“ vermied Mingo geflissentlich. Also eine Band, die Monatsengagements in der Schweiz spielte und einen Schlagzeuger suchte. Nach einem kurzen Telefonat packte Jürgen das alte Schlagzeug von Curt Cress ein, das er im Tausch gegen seine Stereoanlage bekommen hatte und machte sich auf nach Wien. Geprobt wurde in Pressbaum bei Wien, im Heizungskeller im Haus der Eltern des Bassisten, dessen Vater ausgerechnet bei Interpol in der Drogenfahndung arbeitete. Der erste Job verschlug die notdürftig zusammengetrommelte Kapelle, die wahrlich nicht mit der Strahlkraft gediegenen Zusammenspiels ausgerüstet war, nach Samedan im Engadin, unweit von St. Moritz. Die Bühne von Gerry Edmonds wackeren Musikanten war der Club im Keller des Hotels. Der Keyboarder hatte gewisse Defizite an seinem Instrument, die er aber durch eine mitangebotene Zusatzleistung wettmachte: Diese bestand in seiner Frau Gemahlin, die ab Mitternacht einen Striptease hinlegen sollte. Es half nicht, die musikalischen Schwächen der Band zu übertönen, denn auch der Bassist rumpelte bewusstseinsgetrübt durch den Keller der Kathedralen des Klangs. Und der frischgebackene Trommler hatte sich gleich am ersten Tag eine massive Erkältung eingefangen, als er bei 18 Grad Minus, bekleidet wie ein Strandurlauber, sich selbst das Skifahren beibringen wollte. Aber kneifen galt nicht. Da musste er nun durch, 40 Grad Fieber hin oder her.
So funktionierte es nicht, mit dieser Band war auf Dauer kein Geld zu verdienen. Gerry als Kämpfertyp wollte aber noch nicht aufgeben, und Jürgen hatte auch nichts Besseres zu tun. „… but I gave it up for music and a free electric band“ hatte Albert Hammond im Jahr davor gesungen. Das war die Musik, auf die Gerry konnte, die ihn vielleicht auch umtrieb.
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