Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Kapitel Gerry Edmond. Nicht direkt, sondern auf Umwegen. Und das kam so: In einer der Pausen, in denen die Band kein Engagement hatte, fuhr er zurück nach Frankfurt, wo gerade die Band „Samia“ im Entstehen war. Eine Fortsetzung von „Nicoya“ mit geänderter Besetzung. Christian Felke war natürlich auch wieder dabei, und Schlagzeugerpapa Mingo Siewert als Techniker. Beim nächtlichen Bummel über die Zeil trafen sie einen Typen, den Felke kannte. Der Herr aus Österreich wurde vorgestellt als Christian Kolonovits. Die vereinte Bande stieg in den Bunker, in den sie immer stieg, wenn es in den Fingern juckte. Es wurde eine lange Nacht. Bis fünf Uhr Morgens jammten sie, ein Uher Report-Tonbandgerät hielt alles fest, bis heute nachzuhören unter dem Titel
Best of Nicoya.
Jürgen fühlte eine neue Freiheit und war in dieser Nacht nur ganz Ohr und Stick für das, was dieser drahtige Typ aus Wien auf den Tasten spielte. Kolonovits war ihm eine musikalische Offenbarung. Der führte ihn an der langen Leine zu Grooves und Rhythmen, die er sich selbst bislang noch nie hatte spielen hören.
We had joy, we had fun.
Aber hallo. Nur dieses mal ganz ohne „Seasons in the Sun“. Die harte Gerry Edmond-Schule hatte sich gelohnt. Er fühlte sich wie ein König. Täglich sechs Stunden Schlagzeug spielen pro Tag hatten ihn auf den Thron gesetzt. Schluss mit dem ewigen
Kung-Fu-Fighting-Scheiß.
Es lebe die Freiheit der Improvisation, der in alle Richtungen gleichzeitig mäandernden Eingebung.
Im Juni 1976 spielte er noch einmal mit Gerry Edmond im
Metropol
in Wien. Das Publikum dort bestand hauptsächlich aus „Tschuschn“, wie die Wiener die Jugoslawen etwas herablassend nannten. Die kamen aber nur am Wochenende, unter der Woche spielte man für leere Stühlen. Dementsprechend ernst nahm die Band den Job. Jürgen stellte sich einen kleinen tragbaren Fernseher auf das Stand-Tom. Und guckte Fußball, Bayern München gegen Barcelona oder Real Madrid.
Georg Danzer und Wolfgang Ambros probten in diesen Tagen ein Musical mit dem Titel „Karli“, da schaute man gern vorbei, schließlich war Christian Kolonovits der musikalische Leiter, Arrangeur und Dirigent dieses Werkes. Abends kamen er und Wolfgang Ambros zum Gegenbesuch ins Metropol und Ambros fragte Jürgen unvermittelt: „Hosd ned Lust auf meiner nächsdn Ploddn zu spuil’n?“ Die Frage bedeutete definitiv das Ende der Zusammenarbeit mit Gerry Edmond. Jürgen begriff das Angebot als das, was es war: Ein Zeichen, einen Schnitt zu machen. Nicht als Sicherung von Zukunft und Rente. Immerhin, der Titel, den er mit Ambros als erstes aufnahm, hieß „Schifoan“.
Christian Kolonovits rief immer wieder an. Wenn er produzierte, sollte Jürgen spielen. Die unterschiedlichsten Musiken, aber zunächst immer im gleichen Studio, dem Europasound Studio in Offenbach, zu der Zeit ein angesagtes Ort, in dem auch Frank Farian ein Fließband aufgestellt hatte, an dem er einen Boney M.-Hit nach dem anderen produzierte, in minutiöser Handarbeit allerdings. Farians Produktionen waren ein Puzzle-Kunstwerk an Miniaturschritten, schon ein flüchtiger Blick an die Studiowand zeigte es: Da hingen Bandschnipsel in jeder Länge, von zehn Zentimetern aufwärts. Ob die der Kategorie „Braucht man jetzt“, „Braucht man später“ oder „Braucht man vielleicht überhaupt nicht“ angehörten, wusste ganz allein der Produzent. Er konnte aufgezeichnete Töne aus zehn Metern Entfernung sehen. Ja, und es konnte durchaus vorkommen, dass auch mal vier Takte von Jürgen gespielte HiHat da an der Wand hingen, aber in der Regel arbeitete Farian mit seinen Münchner Leuten, und deren Trommler hieß nun mal Curt Cress.
14
Studiomaloche, „Supermax“ bis zum Abwinken – und Lungenriss
Schon früh arbeitete man in Offenbach mit 24 Spuren. Jürgen schaffe es gleich bei seinem ersten Job, sich bei Fred Schreier, dem Studiobesitzer unbeliebt zu machen. Der saß mit stolz geschwellter Brust am Pult, die Schwellung rührte von seiner neuen dänischen 24-Spur-Maschine her, als ihm der angemietete Trommler überraschend ein Tröpfchen Kaffee in die Fernbedienung seines Statussymbols sickern ließ. Mit Schreier war es fortan nicht unbedingt einfach, und die Arbeit selbst war auch nicht der reine Spaß: Es gab eine schallisolierte Schlagzeugkabine, darin wurde das Tier an den Trommeln eingesperrt, mit einem Kopfhörer besänftigt und hatte sich dann erst mal selbst seinen Monitormix so hinzubasteln, dass
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