Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
einen festen Händedruck und schaute Jürgen freundschaftlich ins Gesicht: „Guten Tach, ich bin der Werner.“ Minuten später wusste Jürgen: Da pulsiert etwas mit der gleichen Schlagzahl. Zwei Metronome im Gleichklang. Einmal eingezählt, nie mehr drüber reden müssen. Werner Kopal und Jürgen Zöller würden einige Zeit danach den Maschinenraum von Wolf Maahns Deserteuren mit traumwandlerischer Sicherheit beheizen, dass die Überdruckventile immer kurz vorm Überdruckventilieren standen. Herz und Seele. Sie konnten alles spielen – mit der einfühlsamen Eleganz von Soulbrothers genauso wie mit der herzhaften Schlagkraft gestandener Rocker. Wolf Maahn, ein dürrer Zwei-Meter Mann, Jahrgang 1955, war mit anglo-amerikanischer Musik großgeworden, hatte sich immer mehr in die soulige Seite hineingewühlt und als plattenproduzierender Musiker mit der Foodband würde er eine respektable Variante der Musik inszenieren, die ihm vorschwebte. Die LPs der Foodband würden auch von einer englischen Plattenfirma veröffentlicht werden, und die Musikkritiker würden tirilieren und flöten wie die Englein in großer Einmütigkeit: Der Junge ist der Deutsche, der es auf Englisch am besten bringt. Das also würden sie verfügen, den Plattenkäufern würde es aber langfristig wurscht sein, leider, Scheißglump. Und sie würden eine große Dürre über den Geldbeutel des Maahn und seiner weitgehend foodlosen oder gerade noch sichmalebenfastfoodkaufenkönnenden Band bringen. Selbst dann, wenn sie, diese nichtsnutzigen Plattenkaufverweigerer, die Foodband beim Marley im Vorprogramm gesehen hatten. Die Platten des Rastamanns aus Jamaica würden sie trotzdem lieber kaufen und den Rest des Taschengeldes fröhlich in der Pfeife rauchen, anstatt die Scheiben des langen Schlakses aus Köln-Nippes zu erwerben. Und so würde die Foodband denn versiegen, später. No more food for the Band.
Aber noch stieg und stieg sie. Der besagte Vertretungsauftritt am 30. Dezember 1980 war eine WDR-Radio-Livesendung „Radiothek“ mit Moderator Uli Lux in der Stadthalle Mülheim, die letzte dieser Reihe. Außer der Foodband stand noch die „Frankfurt City Blues Band“ (bei der Jürgen auch gelegentlich den Blues trommelte) auf dem Programm und noch eine Band, die ihm bislang noch nie begegnet war. Ein rechtschaffen unsortierter Haufen, der auf der Bühne seltsamerweise fünf Songs auf Kölsch vortrug und hinter der Bühne nicht weniger befremdlich wirkte: Unmengen von Menschen und Tieren wackelten, schlurften und tänzelten beschwingt im Backstagebereich herum, Hunde, Kinder. Alle schienen ein bisschen bekifft oder wahlweise leicht angeheitert zu sein. Wer gehörte zur Band, wer nicht? Sie hatten offensichtlich die Lizenz, mit dem Bierbecher zu zittern. Der Boden jedenfalls glänzte erwartungsvoll vor verschüttetem Bier. Und ja, das seien BAP, diese komische Truppe, wurde auf intensive Nachforschungen hin mitgeteilt, und die sängen nun eben Kölsch. Aha. Bap. Kölsch. Na denn Prost.
Umgekehrt musste die Begegnung auch Eindruck gemacht haben, Klaus „Major“ Heuser, der auffällig solistisch hyperventilierende Gitarrist der Truppe jedenfalls wollte wissen, wo Jürgen denn sonst noch so trommelte und kaufte sich in Folge dessen LPs von Supermax, soll es aber später bereut haben, vermutlich wegen daselbst fehlender Gitarrensoli im XXL-Format. Und Wolfgang Niedecken höchstselbst und andere Baptisten gingen von da an künftig ab und zu mal „Zöller gucken“. Später, als dann aus der Foodband die „Deserteure“ geworden waren. Dieser wahnsinnige Trommler mit dem akkuraten Bumms, der aussah wie der irrlichternde Klaus Kinski in jungen Jahren. Gereizt hätte es die Baptisten wohl schon, den Zöller mal zu fragen, ob er eventuell abkömmlich sein könnte. Aber jemanden abwerben, das war nicht drin in jenen Zeiten, aus ideologischen Gründen. Auch dann noch nicht, als BAP schon eine Millionen-Seller-Kapelle mit zwei LPs gleichzeitig an der Spitze der Hitparaden geworden war.
Wolf Maahn meldete sich wieder nach dem Ende der Foodband. Er hatte vor, als nächstes eine Soloplatte zu machen:
Deserteure.
Der Titelsong passte zu der friedensbewegten Zeit, war aber ganz anders, als die handelsübliche Tonsetzer-Friedensware. Er entwickelte eine eigene, kraftvolle Poesie, die vollkommen ohne weiches Wasser auskam und auch keinen Stein brechen wollte. Maahn war kein Mann politischer Parolen, er war ein Soulsänger, für den das Private genauso politisch
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