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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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war wie umgekehrt. Wenn er von den roten Flecken auf seinem Hemd sang, die nicht Einschusslöcher sondern verschütteten Rotwein signalisierten, dann spürte man in diesen lakonischen Versen die Revolte eines Mannes, der sich ganz persönlich beleidigt fühlte von dem, was die alten Männer da draußen mit ihren Pershings und SS 20 zu veranstalten drohten. Ein Mann einfach, der das alte Ideal von „Make love, not war“ so authentisch rüberbrachte, dass man erst beim zweiten Hinhören merkt: Hoppla, der singt ja deutsch. Liebe statt Vaterlandsliebe, Erektionen statt Raketenrampen, Penis statt Pershing. Wer Maahn singen hörte, ohne ihn zu sehen, der konnte sich hinter dieser Stimme kaum diesen Schlacks vorstellen, der seine Gitarre linkshändig von weit oben herab bediente und immer wirkte, als fühlte er sich ein paar Zentimeter zu groß. Jürgen packte auf den Titelsong und drei weitere Songs sein gradliniges Schlagzeugspiel drauf. Jan Dix, der frühere Schlagzeuger der Food Band (und spätere BAP-Trommler und in dieser Eigenschaft Vorvorgänger von Jürgen) spielte den Rest der Platte, und auf dem Song „Blinder Passagier“ bediente ein gewisser Major Healey die Stromgitarre. Aber nur kurz. Dazu kam noch Paul Shigihara. Bundeswehrdeserteur Zöller fühlte sich beim selbsternannten Deserteur Maahn durchaus wohl. Im Herbst 1982 erschien die Platte, und auch ihr war schon Bandfeeling anzuhören, obwohl die Band dazu noch nicht wirklich eine Band war.
    Jürgen spürte in diesem Jahr 1982, dass die Zeiger auf der Zappel-Skala wieder zaghaft erste Werte anzuzeigen begannen. Vor allem, als Wolf anrief mit einer wichtigen Botschaft, die unverzüglich zum Handeln zwang. Innerhalb von zwei Tagen telefonierte er sich eine feste Band zusammen, denn: „Wir haben die Roxy Music-Tour angeboten bekommen“ Bryan Ferry und seine schnieke Truppe waren mit ihrer LP „Avalon“ auf dem Höhepunkt ihres Erfolges, und nun sollten die Deserteure in den Genuss kommen, gleich deutschlandweit auf einer weitgehend ausverkauften Tour einer englischen Erfolgsband ihr frisch angezündetes Licht leuchten zu lassen. Vorher gab es nur einige kleine Gigs, und dann ging man hier auf den großen Bühnen gleich in die Vollen: Renate Otta und Jane Palmer waren als weitere Sängerinnen aufgeboten, Paco Saval spielte Keyboards, Axel Heilhecker Gitarre. Die Herren von Roxy Music erschienen stets in feinsten Zwirn geworfen und trugen erlesene Haarfrisuren auf ihren britischen Edelköpfen. Trotz dieses furchterregenden Outfits erwiesen sie sich als erstaunlich kollegial. Never judge a book by the cover. Mit tief empfundener Verwunderung stellten die Kölner fest, dass sie bei dieser Tour eben nicht nach dreieinhalb Songs von 400 Kilo schweren Zuhältern, die als Nebenerwerbsroadies arbeiteten, mit Leder-Peitschen von der Bühne gejagt wurden. Aus den Monitorboxen waren auch keine russischen Störsender oder weißes Rauschen aus dem Andromedanebel zu hören, sondern tatsächlich die selbst erzeugte Musik, und das sogar vorwärts, in der beabsichtigten Tonart und im richtigen, von Kinski-Metronom Zöller eingestellten Tempo. Und keiner musste sein Instrument und seine Mitmusiker im Dunkeln suchen, auf der Bühne herrschte erhabenes Licht. Nach den Publikumsreaktionen zu urteilen, konnten auch die Zuhörer im Saal die Deserteure sehen und sogar gut hören. Vorbei waren offenbar die Zeiten, in denen immer zufällig dann alle 24 Kanäle des Frontmischpultes plötzlich ausfielen, wenn eine Band mit dem Namen „Opening Act“, „Special Guest“ oder – noch schlimmer – „Vorgruppe“ die Bühne betrat. Für Jürgen stellte sich als doppelte Freude heraus, dass Andy Newmark, einer seiner Heldenschlagzeuger, die Tour für Bryan Ferry und Konsorten trommelte, und dass ihm der Zugang zur Garderobe von Roxy Music nie verwehrt wurde. Und am letzten Abend sagte Bryan Ferry, als Roxy Music anfing: „I would like to thank our support band, Wolf Maahn und die Deserteure. It was great working with them.“ Das war ja schon mal was. Kein Grund aber zum Durchdrehen. Wolf Maahns beseelte Kapelle bestand zu sehr aus Menschen, die durch Täler von Fleischsalat und lauwarmem Dünnbier gewatet waren, als dass sie allzu hohe Erwartungen an plötzlich hereinbrechenden Starruhm gehabt hätten. Jedem in der Band war klar, dass man sich sein Publikum erspielen musste. Steckdose für Steckdose, manchmal ohne Rücksicht darauf, aus welcher Wand die Dose ragte. Oder aus

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