Jugend ohne Gott (German Edition)
Gegenstande.
Auf alle Fälle war er hin. Tot und tot.
Man hat ihn erschlagen, sagten die Waldarbeiter. Ich stieg mit den Waldarbeitern ins Dorf hinab. Zur Gendarmerie. Wir liefen fast. Gott blieb zurück. Die Gendarmen telephonierten mit dem Staatsanwalt in der nächsten Stadt, und ich telegraphierte meinem Direktor. Die Mordkommission erschien und begab sich an den Ort der Tat.
Dort lag der N im Graben.
Er lag auf dem Bauche.
Jetzt wurde er photographiert.
Die Herren suchten die nähere Umgebung ab. Peinlich genau. Sie suchten das Mordinstrument und irgendwelche Spuren.
Sie fanden, daß der N nicht in jenem Graben erschlagen wurde, sondern ungefähr zwanzig Meter entfernt davon. Man sah deutlich die Spur, wie er in den Graben geschleift worden war, damit ihn niemand finde. Und sie fanden auch das Mordinstrument. Einen blutbefleckten spitzigen Stein. Auch einen Bleistift fanden sie und einen Kompaß.
Der Arzt konstatierte, daß der Stein mit großer Wucht aus nächster Nähe den Kopf des N getroffen haben mußte. Und zwar meuchlings, von rückwärts.
Befand sich der N auf der Flucht?
Der Untat mußte nämlich ein heftiger Kampf vorangegangen sein, denn sein Rock war zerrissen. Und seine Hände zerkratzt. –
Als die Mordkommission das Lager betrat, erblickte ich sogleich den Z. Er saß etwas abseits. Auch sein Rock ist zerrissen, ging es mir durch den Sinn, und auch seine Hände sind zerkratzt.
Aber ich werde mich hüten, davon zu reden! Mein Rock hat zwar keinen Riß und meine Hände sind ohne Kratzer, aber trotzdem bin auch ich daran schuld! –
Die Herren verhörten uns.
Wir wußten alle nichts über den Hergang des Verbrechens.
Als der Staatsanwalt mich fragte: »Haben Sie keinen Verdacht?« – da sah ich wieder Gott. Er trat aus dem Zelte, wo der Z schlief, und hatte das Tagebuch in der Hand.
Jetzt sprach er mit dem R und ließ den Z nicht aus den Augen.
Der kleine R schien Gott nicht zu sehen, nur zu hören. Immer größer wurden seine Augen, als blickte er plötzlich in neues Land.
Da höre ich wieder den Staatsanwalt: »So reden Sie doch! Haben Sie keinen Verdacht?«
»Nein.«
»Herr Staatsanwalt«, schreit plötzlich der R und drängt sich vor, »der Z und der N haben sich immer gerauft! Der N hat nämlich das Tagebuch des Z gelesen, und deshalb war ihm der Z todfeind – er führt nämlich ein Tagebuch, es liegt m einem Kästchen aus blauem Blech!«Alle blicken auf den Z.
Der steht mit gesenktem Haupt. Man kann sein Gesicht nicht sehen. Ist es weiß oder rot? Langsam tritt er vor. Er hält vor dem Staatsanwalt.
Es wird sehr still.
»Ja«, sagt er leise, »ich habs getan.«
Er weint.
Ich werfe einen Blick auf Gott.
Er lächelt.
Warum?
Und wie ich mich so frage, sehe ich ihn nicht mehr.
Er ist wieder fort.
Morgen beginnt der Prozeß.
Ich sitze auf der Terrasse eines Cafés und lese die Zeitungen. Der Abend ist kühl, denn es ist Herbst geworden.
Schon seit vielen Tagen berichten die Zeitungen über die kommende Sensation. Einzelne unter der Überschrift Mordprozeß Z, andere unter Mordprozeß N. Sie bringen Betrachtungen, Skizzen, graben alte Kriminalfälle mit Jugendlichen im Mittelpunkt aus, sprechen über die Jugend überhaupt und an sich, prophezeien und kommen vom Hundertsten ins Tausendste, finden aber dennoch immer irgendwie zurück zum Ermordeten N und seinem Mörder Z.
Heute früh erschien ein Mitarbeiter bei mir und interviewte mich. Im Abendblatt muß es schon drinnen sein. Ich suche das Blatt. Er hat mich sogar photographiert.Ja, da ist mein Bild! Hm, ich hätt mich kaum wiedererkannt. Eigentlich ganz nett. Und unter dem Bilde steht: »Was sagt der Lehrer?«
Nun, was sage ich?
»Einer unserer Mitarbeiter besuchte heute vormittag im städtischen Gymnasium jenen Lehrer, der seinerzeit im Frühjahr die oberste Aufsicht über jenes Zeltlager innehatte, allwo sich die verhängnisvolle Tragödie unter Jugendlichen abrollen sollte. Der Lehrer sagte, er stehe vor einem Rätsel, und zwar nach wie vor. Der Z sei immer ein aufgeweckter Schüler gewesen, und ihm, dem Lehrer, wären niemals irgendwelche charakterliche Anomalitäten, geschweige denn Defekte oder verbrecherische Instinkte aufgefallen. Unser Mitarbeiter legte dem Lehrer die folgenschwere Frage vor, ob diese Untat ihre Wurzel etwa in einer gewissen Verrohung der Jugend hätte, was jedoch der Lehrer strikt bestritt. Die heutige Jugend, meinte er, sei keineswegs verroht, sie sei vielmehr, dank der allgemeinen
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