Juli, Die Viererkette
und streng musterte er uns über seine rahmenlose Brille hinweg. Sense brachte es gerade noch fertig, seine Fahrradkette in Krakes Hose zu stecken.
Dann war es still.
Nur das Pfeifen des Windes war noch zu hören, oder wurde das Geräusch von den Rädern verursacht, die sich im Kopf des Dicken Michi heiß liefen? Ich weiß es nicht. Nur, ein Kampf kam nicht mehr in Frage. Das war vor den Augen unseres Direktors nicht drin. Leons Plan hatte einwandfrei funktioniert. Raban und ich waren gerettet, und dem Dicken Michi blieb nichts anderes übrig, als sich für unsere gemeine Begrüßung auch noch bei uns zu bedanken. Dann packte er meine Hand und quetschte sie, dass ich aufschreien wollte.
„Keine Angst! Wir sehen uns noch, Huckleberry!“, hauchte er mir leise ins Ohr. „Und einen schönen guten Morgen für Sie, Herr Direktor!“
Er grinste, so breit er konnte, machte um 180 Grad kehrt und stapfte davon. Die anderen Unbesiegbaren Sieger folgten ihm wie die Maden der Schwarte.
Wir hätten uns am liebsten umarmt und uns zu unserem Triumph gratuliert, doch der Direktor stand immer noch da. Er fingerte an seiner Brille herum und suchte nach den peinlichen Fragen: „Was hat das hier zu bedeuten? Leon Wessel-Masannek, was erlaubst du dir, und Juli Reik, was hast du mit dem Dicken Michi zu tun?“ Da kam Joschka, die siebte Kavallerie. Er kam direkt von zu Hause und riss dem Direktor die Aktentasche aus der Hand.
„Darf ich die für Sie tragen?“, lächelte er, und wir liebten ihn alle dafür. „Das mach ich sehr gern, wissen Sie?“, versicherte er, lief einfach los und dem Direktor blieb nichts anderes übrig, als ihm und seiner Tasche zu folgen.
Nur Raban kochte vor Wut!
„Verflixte Hühnerkacke!“, schimpfte er jetzt. „Leon, das werde ich nie wieder tun! Hörst du? Juli und ich, wir haben schon im Maul des Dicken Michi gesteckt!“
Doch Leon reagierte nicht auf seinen Protest. Stattdessen kam er zu mir und legte mir seinen Arm um die Schulter.
„Und was ist mit dir? Bist du in Ordnung?“, fragte er ernst, und ich hatte einen Frosch von der Größe eines Nilpferds im Hals.
„Wieso? Was soll denn schon sein?“, würgte ich und verfluchte mich einen Augenblick später. Warum sagte ich nicht endlich was? Meine Freunde hatten mir doch gerade ihr Vertrauen bewiesen. Sie hatten ihr Leben für mich riskiert. Warum gab ich das nicht zurück? Ich wusste es nicht. Ich spürte nur den Zettel im meiner Faust, den mir der Dicke Michi in meine Hand gepresst hatte, bevor er davongestapft war.
Der Dieb im Teufelstopf
„Keine Angst! Wir sehen uns noch, Huckleberry!“, tönte es immer und immer wieder durch meinen Kopf.
Ich hatte mich auf dem Klo in der Schule eingesperrt und starrte auf den Zettel in meiner Hand. Kaum leserlich stand da in krakeliger Schrift:
Mir lief es eiskalt den Rücken hinunter. Was sollte ich tun? Die Welt hielt nicht immer einen Direktor bereit, um mich und meine Freunde vor den Unbesiegbaren Siegern zu schützen. Nein. Ich konnte die Wilden Fußballkerle da nicht hineinziehen. Das hatte mit Fußball nichts mehr zu tun, und sie hatten ihr Stadion, den Teufelstopf mit der Flutlichtanlage, auf das sie genauso stolz waren wie ich. Und morgen hatten sie ihr erstes ganz großes Spiel in ihrer eigenen Liga. Das konnte und wollte ich ihnen nicht nehmen.
Ja, und ich musste meinen Bruder beschützen. Joschka konnte überhaupt nichts dafür. Das alles war allein meine Schuld. Ich war zu den Graffiti-Burgen gegangen, nicht er, und ich hatte den Pakt mit dem Dicken Michi geschlossen. Ja, und vielleicht gehörte ich auch für immer dorthin. Jetzt fiel es mir wieder siedendheiß ein. Ich war zu den Graffiti-Burgen gegangen, um meinen Vater zu finden. Und wenn er wirklich dort lebte, dann gehörte auch ich natürlich dorthin!
Das erste Klingeln ertönte. Gleich fing der Unterricht an. Da warf ich den Zettel ins Klo, spülte und lief, als ob gar nichts wär, zu den anderen hinaus in den Flur.
Den ganzen Unterricht hindurch, alle sechs langen Stunden, spielte ich den alten Juli „Huckleberry“ Fort Knox. Doch in Wirklichkeit suchte ich nur nach einer winzigen Chance, um aus diesem Leben ein für alle Mal zu verschwinden.
Aber das war gar nicht so leicht. Meine Freunde kümmerten sich rührend um mich, besonders Vanessa, Marlon und Rocce. Ich war keine Sekunde allein, und es war schon ein Wunder, dass ich meine Fußballschuhe unter der Schulbank verstecken konnte, ohne dass es einer von ihnen
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