Julia Ärzte zum Verlieben Band 36
„‚Besser eine verlorene Liebe, als niemals geliebt zu haben‘. Da steckt eine Menge Wahrheit drin. Man kann nicht sein ganzes Leben lang der Liebe aus dem Weg gehen. Und du musst es sowieso riskieren.“
„Was?“
„Zu lieben“, antwortete Ella. „Du wirst dieses Baby lieben. Du wirst es wie eine Löwin verteidigen. Und ja, du wirst auch Dinge erleben, die wehtun. Der erste Sturz, die erste Wunde. Das erste Mal, wenn jemand etwas Gemeines zu deinem Kind sagt und es zum Weinen bringt. Aber du wirst diejenige sein, die es tröstet. Du wirst sein Lächeln sehen, das Strahlen in seinen Augen. Das ist all den Schmerz wert. Hab keine Angst vor der Liebe, Lisa. Es lohnt sich.“
„Mag sein.“
„Liebt Joel dich?“, fragte Ella dann.
„Ich weiß es nicht. Er lässt mich nicht an sich heran“, erwiderte Lisa. „Er ist alleinerziehend. Seine Frau starb, als sie schwanger war, und er hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er keine neue Beziehung will.“
„Weil er seine Frau so geliebt hat wie ich deinen Vater?“
Lisa hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Er behauptet, seine Tochter müsste bei ihm an erster Stelle kommen. Und dass er nicht einfach ausprobieren kann, ob eine Beziehung funktioniert oder nicht.“
„Du denkst also, dass Joel sich für seine Tochter aufopfert“, meinte ihre Mutter. „Und du glaubst, ich habe das auch für dich getan. Das stimmt nicht. Wenn ich mein Leben mit jemandem hätte teilen wollen, hätte ich das schon vor langer Zeit tun können.“ Sie lächelte Lisa an. „Kennst du Joels Tochter?“
„Beth? Ja. Ich mag sie, und ich glaube, sie mag mich auch“, antwortete Lisa. „Er sagt, sie braucht eine Mutter, und mein Baby braucht einen Vater. Also wäre heiraten das Vernünftigste.“
„Es wäre zumindest praktisch, das stimmt“, sagte Ella. „Nur weil es praktisch ist, muss es aber nicht unbedingt das Richtige sein. Du bist erst achtundzwanzig. Gib dich nicht mit etwas zufrieden, was du nicht willst. Es ist mir egal, ob Joel ein netter Kerl ist. Meine Tochter wird ganz sicher niemanden heiraten, nur um eine Rolle zu spielen.“
„Ach, Mum.“ Lisa wischte sich ein paar Tränen ab. „Entschuldige, ich bin eine Heulsuse.“
„Das sind die Hormone.“ Ella lachte. „Wart’s nur ab. Einen Tag nach der Geburt heulst du dir die Augen aus wegen irgendwelcher dummen Kleinigkeiten. Glücklicherweise wird der Hormonspiegel danach wieder normal.“
Lisa musste ebenfalls lachen. „Wie beruhigend.“
„Was auch immer zwischen dir und Joel passiert, ich bin für dich da“, sagte Ella weich. „Du bist mit deinem Baby nicht allein, das verspreche ich dir. Doch ich habe den Eindruck, ihr beiden solltet miteinander reden. Sprecht offen über eure Gefühle. Falls er es dir nicht sagt, dann frag ihn, was er für dich empfindet.“
„Und wenn er mich nicht liebt?“ Lisas Stimme klang brüchig.
Zärtlich fuhr Ella ihr übers Haar. „Dann wirst du damit fertig. Du bist stark. Du schaffst das. Aber mach es dir nicht unnötig schwer. Sprich mit ihm, und zwar ernsthaft. Selbst wenn ihr noch so intelligent seid, keiner von euch kann Gedanken lesen. Seid ehrlich zueinander. Dann wird sich alles klären.“
Hoffentlich hat Mom recht, dachte Lisa, als sie vor ihrem Häuschen parkte. Und hoffentlich empfand Joel genauso für sie wie sie für ihn.
Lisa lud ihren Wagen aus, räumte die Lebensmittel ein, die sie unterwegs im Supermarkt besorgt hatte, und stellte den Wasserkocher an. Danach hob sie den Stapel Post von der Haustürmatte auf. Die Werbung warf sie in den Müll und legte Rechnungen und Kontoauszüge beiseite. Doch dann sah sie einen Umschlag, der offensichtlich persönlich eingeworfen worden war.
Sie hatte Joels Handschrift oft genug auf Patientenakten gesehen, um sie wiederzuerkennen. Er hatte ihr einen Brief geschrieben.
Leichte Übelkeit stieg in ihr auf. Ob in diesem Brief stand, dass er inzwischen zur Vernunft gekommen war und sie jetzt doch nicht heiraten wollte?
Sie machte sich einen Becher heißen Johannisbeersaft, setzte sich an den Küchentisch und machte den Umschlag auf. Darin war eine Karte, kein Brief. Lisa drehte sie um und betrachtete das Bild. Ein Sonnenaufgang über dem Meer.
Hoffnung.
Ob etwas in der Art auch darin geschrieben stand?
Lisa legte die Karte erst einmal hin, da sie sich fast davor fürchtete, sie aufzuschlagen. Sie hatte Angst vor dem, was sie dort lesen würde.
Sie trank einen Schluck von ihrem Saft. Doch
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